Geist Seele und Leib

 

Theologisches Essay

 

Vom menschlichen Geist

In der Bibel findet sich der Dreiklang: Geist Seele und Leib. An vielen Stellen ist vom Geist die Rede. Die Frage stellt sich, ob damit neben dem Geist Gottes auch ein „Geist des Menschen“ gemeint sein kann und was das zu bedeuten hätte. Ich selber hatte  nicht sonderlich viel Interesse an diesem Thema. Aber ein Freund liess nicht locker. Er wollte mehr wissen, da er beruflich mit dem Thema konfrontiert wurde. 

1.Thessalonicher 5,23

„Gott aber, der uns seinen Frieden schenkt, vollende euch als sein heiliges Volk und bewahre euch völlig unversehrt, fehlerlos an Geist, Seele und Leib, für den Tag, an dem Jesus Christus, unser Herr, kommt.“

„Geist, Seele und Leib“! Besteht der Mensch aus Körper, Seele und Geist? Wie ist das auf Grund der Gesamtaussagen der Bibel zu interpretieren? Kann der Mensch so verstanden werden? Was ist unter Geist zu verstehen?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Verschmelzung von physischen und spirituellen Gefilden

 

 

 
  1. Beobachtung: 

    Assoziationen

Ganz Allgemein wird der Geist oft mit dem Gehirn assoziiert. Die beiden Begriffe werden oft synonym verwendet. Das Gehirn wird als physisches Ding betrachtet, der Geist als mental. Das Gehirn besteht aus Nervenzellen und kann berührt werden, während der Geist nicht berührt werden kann. 

Interessant ist in dieser Hinsicht die These von Vertretern eines menschlichen Geistes: 

„Der Geist ist nicht, wie oft angenommen, der Verstand des Menschen. Diese Ansicht hat ihren Ursprung in der griechischen Philosophie, wo der Geist gleichbedeutend mit Verstand und Erkenntnis ist.   Autor: Hans-Jörg Ronsdorf *(1)

In der deutschen und auch englischen Sprache ist die Annahme Geist stehe für Verstand durchaus möglich, aber nicht in der griechischen. Im griechischen Urtext der Bibel steht:  πνεῦμα (pneuma). Es ist der gleiche Begriff, der auch für den Geist Gottes, den Heiligen Geist benutzt wird, so wie auch für die Engel als dienstbare Geister (Bsp.: Hebräer 1,14) und auch für die bösen Geister (Bsp.: Markus 6,7). Deutlich wird die breite Anwendung von pneuma (Geist) in:

Römer 8,15 

„Denn der Geist Gottes, den ihr empfangen habt, führt euch nicht in eine neue Sklaverei, in der ihr wieder Angst haben müsstet. Er hat euch vielmehr zu Gottes Söhnen und Töchtern gemacht. Jetzt können wir zu Gott kommen und zu ihm sagen: »Abba, lieber Vater!«.“

 

Paulus spricht hier auf der einen Seite vom Geist Gottes und auf der anderen von einem „Geist der Knechtschaft“ und von einem „Geist der Sohnschaft“. Augenfällig ist, dass Paulus hier nicht von einem personalen Geist spricht, sondern von etwas Mentalem, also von Bewusstsein und Wahrnehmung. 

 

Konsequenz:

Die breite Bedeutung des Begriffs „Geist“ in der Bibel fordert bei der Auslegung von Bibeltexten zum Thema, genau hinzuschauen und der unterschiedlichen Nutzung des Begriffs Rechnung zu tragen.

 

2. Beobachtung:  

Geist Gottes 

Meistens geht es in der Bibel um den Geist Gottes, die 3. Person des einen Gottes. Er wird personal angesehen und wird scharf unterschieden vom Menschen. Durch seinen Geist nimmt Gott selber „Wohnung“ in uns Menschen (Johannes 14,23) und wie Paulus sagt, „versiegelt“ (Epheser 2,22+4,30) uns. 

Viele Autoren die sich dem Thema „menschlicher Geist“ widmen, gehen leichtfertig mit der Auslegung biblischer Texte um. Es werden Texte, wo eindeutig vom Geist Gottes, der in uns wohnt, gesprochen wird, ausgelegt in Richtung menschlicher Geist.

Zum Beispiele:

Hesekiel 11,19

"Ich werde ihnen ein Herz geben und werde einen neuen Geist in ihr Inneres geben, und ich werde das steinerne Herz aus ihrem Fleisch entfernen und ihnen ein fleischernes Herz geben."

Hesekiel 36,26+27

"Ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben. Ich will meinen Geist in euch geben und will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln und meine Rechte halten und danach tun."

Ausserdem wird hier auch die Nähe der Begriffe Herz und Geist sichtbar. Das neue Herz ist ein demütiges Herz, das sich Gott unterstellt (Mt 11,29). Es ist ein wahrhaftiges Herz, das die Wahrheit liebt (Hebr 10,29). Es ist ein von Gottes Wort erfülltes Herz. Das Wort Gottes ist darin zu Hause (Kol 3,16). Herz ist kein greifbarer Ort im Menschen, keine Persönlichkeit, die man ansprechen könnte. Gott bastelt nicht an uns herum und macht uns ein wenig besser. Nein, Gott schafft neu. Gott macht lebendig. Das ist zwingend nötig. Es betrifft das Bild "Herz" und auch das Bild "Geist". Gott gibt uns seinen Geist und damit auch ein neues Herz. Es geht dabei ums Innerste von uns Menschen. Nicht mehr und nicht weniger.

Der Geist Gottes ist eine ganz andere Dimension als die unsere. Nicht alle Menschen sind vom Geist Gottes beseelt, sondern lediglich diejenigen Menschen, die sich Gott zuwenden und ihm Raum geben und sich von ihm verändern lassen. In diesen Menschen nimmt Gott Raum durch seinen Geist. 

 

3. Beobachtung:  

Unser menschlicher Geist 

Es ist festzuhalten, dass es in der Bibel tatsächlich Aussagen zum „menschlichen Geist“ gibt.

Römer 1,9  (nach der Übersetzung von Luther)

„Gott ist mein Zeuge, dem ich in meinem Geist diene durch das Evangelium von seinem Sohn, dass ich ohne Unterlass euer gedenke.“  

Römer 8,16  (nach der Übersetzung von Luther)

„Der Geist selbst gibt Zeugnis unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind“. 

Im griechischen Urtext wird an diesen Stellen der Geist Gottes in einen Zusammenhang gestellt, mit dem Pronomen „meinem“ oder „unserem“ Geist und damit präzisiert. 

Nach meinem Wissenstand sind dies diejenigen Bibelstellen, welche so deutlich von einem menschlichen Geist reden. Was darunter zu verstehen ist und was es zu bedeuten hat, wird in der Bibel nicht erläutert.

Vertreter der These eines „menschlichen Geistes“ meinen, dass der Geist ein wesentliches Element der Beschaffenheit des Menschen sei: 

„Durch den Geist, wird der Mensch zu einer selbstständigen Person, das heisst zum „Ich“ und damit auch zu einem „Du“ für Gott. Der Geist ist das innerste Wesen des Menschen. Er ist das „Ich“ als Person. Der Begriff „Person“, der uns so geläufig ist, hat genau hier seinen Ursprung.“ Der im Bild Gottes geschaffene Mensch ist eine Person, deren Persönlichkeit von der Persönlichkeit Gottes abgeleitet ist. Der Geist, den Gott gibt, macht den Menschen zur Person, indem er den Geist des Menschen formt. Der Geist von Gott wurde im Menschen zum Geist des Menschen, der ihn zur Person macht.“   Autor: Hans-Jörg Ronsdorf *(2)

"Im Rahmen unseres Modells ist es hilfreich, dass wir den menschlichen Geist als eigenen, von der Seele losgelösten Bestandteil des Menschen darstellen .... Jeder Mensch, jedes Kind, wird mit einem lebendigen Geist geboren und hat grundsätzlich freien Zugang zu Gott .... Gottes Geist erweckt den schlafenden oder toten Geist im Menschen und schenkt ihm eine neue Identität (Gotteskind) ....  Wir nutzen den Geist besonders für den Zuspruch von Vergebung, Heilung und Wiederherstellung." *(3)

 

4. Beobachtung: 

Interpretationsfreiraum

Es gibt zum Thema viele offene Fragen und grossen Interpretationsfreiraum. 

Hebräer 4,12  (nach der Übersetzung Gute Nachricht)

„Das Wort Gottes ist lebendig, es ist eine wirkende Macht. Es ist schärfer als das schärfste beidseitig geschliffene Schwert. So wie ein Schwert tief einschneidet, die Gelenke durchtrennt und das Mark der Knochen freilegt, so dringt das Wort Gottes ins Innerste von Seele und Geist. Es deckt die geheimen Wünsche und Gedanken des Menschenherzens auf und hält über sie Gericht.“  

 

Paulus vergleicht das Wort Gottes mit einem zweischneidigen Schwert. Das Bild ist einfach zu verstehen. Wenn Paulus Mark und Gebein (im griechischen „Gelenke“) erwähnt, dann wird die Schärfe des Schwertes deutlich. Das gilt wohl auch für die Formulierung „Seele und Geist“ und auch „Wünsche und Gedanken“. „Seele und Geist“ kann als Redewendung interpretiert werden, so wie „es geht durch Mark und Bein“. Das Wort Gottes kann unser Leben total durchdringen - wie Butter. Darum geht es Paulus. Mehr ist nicht hinein zu lesen. 

1.Thessalonicher  5,23 

Die eingangs erwähnte Bibelstelle ist eine Gruss- und Segensformel von Paulus. Die Aussage ist eine literarische Ausdrucksform, und keine inhaltliche Auseinandersetzung mit einem Thema.

Epheser 4,23  (nach der Luther Übersetzung)

„Erneuert euch aber in eurem Geist und Sinn.“  

Im Griechischen steht hier ein passiver Infinitiv. Es ist eine Aufforderung, etwas mit sich geschehen zu lassen und könnte übersetzt werden mit „lasst euch neu machen“. Die griechische Sprache ist vielschichtig. Es steht folgend nicht, „in eurem Geist“, sondern direkt übersetzt „am Geist eures Sinnes“. Wie das interpretiert wird, schlägt sich in den unterschiedlichen Übersetzungen nieder. Beispiel Hoffnung für alle:

„Lasst euch in eurem Denken verändern und euch innerlich ganz neu ausrichten.“

Fest steht: Paulus geht es um die Veränderung, die eine Hinwendung zu Gott nach sich zieht. Es geht darum ein anderes Leben zu führen. Dafür braucht es Gottes Wirken an uns und in uns.

 

5. Beobachtung:  

Altes Testament

Vertreter der These des Geistes des Menschen bringen die Aussagen von Paulus mit der Schöpfungsgeschichte des Alten Testamentes in Verbindung:

1.Mose 2,7

„Da formte Gott der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und hauchte ihm Lebens(odem)atem in die Nase. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen“.

 

Es wird von Vertretern eines menschlichen Geistes folgendermassen argumentiert: „Der Geist ist derjenige Teil des Menschen, der seine bewusste Individualität bezeichnet. Damit unterscheidet sich der Mensch deutlich von der niedrigen Schöpfung (Tiere und Pflanzen). Insofern kann man den Geist als höheren Teil des Menschen bezeichnen, der ihn über die übrige Schöpfung erhebt.“   *(4)

 

 

Diese These ist nicht stichhaltig. Sie wird mit folgender Aussage aus der Bibel in Frage gestellt:

Prediger 3,19-21

„Auf Mensch und Tier wartet das gleiche Schicksal: Beiden gab Gott das Leben, und beide müssen sterben. Der Mensch hat dem Tier nichts voraus, denn auch er ist vergänglich. Sie alle gehen an denselben Ort – aus dem Staub der Erde sind sie entstanden, und zum Staub der Erde kehren sie zurück. Wer weiß schon, ob der Geist des Menschen wirklich nach oben steigt, der Geist des Tieres aber in die Erde hinabsinkt?“

Manche Vertreter der These eines menschlichen Geistes versuchen dem auszuweichen mit der Argumentation, dem Menschen sei gemäss 1.Mose 2,7 der Odem eingehaucht worden, ganz im Gegensatz zum Tier. 

Ausserdem: Im Hebräischen Text steht hier das Wort תמַשְׁנִ (nshmth). Das gleiche Wort findet sich auch in:

Sprüche 20,27 (nach der Übersetzung Elberfelder)

„Der Geist des Menschen ist eine Leuchte des HERRN, durchforscht alle Kammern des Leibes.“ 

Das übliche Wort für Geist im AT lautet „Ruach“   חוּרוְ, welches aber im Schöpfungsbericht an dieser Stelle nicht verwendet wird, wie auch im Text aus den Sprüchen.

 „Der hebräische Begriff „Ruach“ wird vielfältig gebraucht und ist sehr schillernd. „Ruach“ bezeichnet vor allem den Atem des Mundes und den Wind. Dabei geht es zunächst um den „Luftstoss“. Ruach als Wind wird als etwas Kräftiges erfahren, das als Sturm auch zerstörerische Kräfte hat. Dieser Luftstoss ist etwas, von dem man nicht weiß, woher es kommt und wohin es geht. Es entzieht sich der Erkenntnis des Menschen. Der mit „Ruach“ bezeichnete Atem ist nicht mit der Lebenskraft (hebräisch: Näfasch) zu verwechseln.“   Univ.-Prof.in Dr.in Susanne Gillmayr-Bucher, Linz *(5)

 

Wie sich der Geist Gottes im Leben der Menschen auswirkt, wird in der Bibel ebenfalls sehr unterschiedlich geschildert: 

„Bei charismatischen Führungspersönlichkeiten − zum Beispiel im Buch der Richter − überfällt die Ruach Gottes den Richter/Retter, der daraufhin in der Lage ist, sein Volk zu befreien. Die Ruach Gottes wird als eine Kraft gedacht, die den Helden zu aussergewöhnlichen Taten befähigt. Die Ruach Gottes kann Menschen auch in eine ekstatische Verzückung (Trancezustand) versetzen. Die Ruach Gottes entrückt Propheten, trägt sie in eine Vision hinein, wie zum Beispiel den Propheten Ezechiel.“  Univ.-Prof.in Dr.in Susanne Gillmayr-Bucher, Linz *(6)

 

Esra 1,1+5

„Im ersten Jahr des Kyrus, des Königs von Persien, erweckte der HERR, damit das Wort des HERRN aus dem Mund Jeremias erfüllt wurde, den Geist des Kyrus, des Königs von Persien, dass er durch sein ganzes Reich einen Ruf ergehen ließ, und zwar auch schriftlich.“

„Da machten sich die Familienoberhäupter von Juda und Benjamin auf und die Priester und die Leviten, jeder, dessen Geist Gott erweckte, hinaufzuziehen, um das Haus des HERRN in Jerusalem zu bauen.“

Hier bei Esra wird das hebräische Wort „ruach“ verwendet, sowohl im Blick auf den persischen König Kyrus wie auch auf berufene Gottesleute in Israel.

 

6. Beobachtung:  

Begrifflichkeiten

In der Bibel finden sich viele Begriffe mit ähnlicher Ausrichtung, welche vom Inneren des Menschen reden. Sie sind sehr unterschiedlich und „farbig“.

  • Seele 

Der Ausdruck Seele hat vielfältige Bedeutungen, je nach den unterschiedlichen mythischen, religiösen, philosophischen oder psychologischen Traditionen und Lehren, in welchen er vorkommt. Im heutigen Sprachgebrauch ist hierbei oft die Gesamtheit aller Gefühlsregungen und geistigen Vorgänge beim Menschen gemeint. 

Das Wort Seele kommt in der Übersetzung Elberfelder 375 Mal vor. 

Matthäus  16,25+26

„Wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden. Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?“

Lukas 12,19

„Ich will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!“ 

„Der Ausdruck Seele hat vielfältige Bedeutungen, je nach den unterschiedlichen mythischen, religiösen, philosophischen oder psychologischen Traditionen und Lehren, in welchen er vorkommt. Im heutigen Sprachgebrauch ist hierbei oft die Gesamtheit aller Gefühlsregungen und geistigen Vorgänge beim Menschen gemeint.“  *(7) 

Interessant ist, dass viele Ausleger von der Seele sagen, was andere dem Geist des Menschen zuschreiben: 

„Die Seele ist das im Menschen, was ihn zu einer Person macht, samt alledem, was zum Personenleben des Menschen gehört. Die Seele hat die Fähigkeit, zu empfinden, zu denken, zu wollen, ein reiches Innenleben zu entfalten; sie verfügt über allerlei schöpferische Kräfte und Gaben, also auch über die verschiedenen »geistigen« Gaben.“    Von Ralf Luther *(8)

 

  • Herz 

Der Begriff Herz kommt in der Bibel 160 mal vor und lediglich in wenigen Fällen ist damit die „Blutpumpe“ in unserem Körper gemeint.

1.Samuel 16,7

„Der HERR sprach zu Samuel: Sieh nicht an sein Aussehen und seinen hohen Wuchs; ich habe ihn verworfen. Denn es ist nicht so, wie ein Mensch es sieht: Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der HERR aber sieht das Herz an.“

Psalm 119,2

„Wohl denen, die sich an seine Zeugnisse halten, die ihn von ganzem Herzen suchen.“

Matthäus 22,37

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt.“

1.Petrus 3,3-4

„Euer Schmuck soll nicht äusserlich sein mit Haarflechten, goldenen Ketten oder prächtigen Kleidern, sondern der verborgene Mensch des Herzens, unvergänglich, mit sanftem und stillem Geist: Das ist köstlich vor Gott.“

Nach der Bibel ist das Herz der Sitz von Denken und Urteilen, von Planen und Wollen. So heisst es z.B. bezüglich den Zweifeln Abrahams: „er sprach in seinem Herzen“ (Gen 17,17). Ein „hörendes Herz“ ist nach 1 König 3,9+12 ein „weises und verständiges Herz“.

Die Bibelstellen zum Thema „Herz“ zeigen, dass es mit diesem Begriff auch um das Innerste der Menschen geht. „Herz“ ist für uns geläufiger, da wir es in unserer Sprache ähnlich gebrauchen. Wir reden von "etwas beherzen", "zu Herzen gehen", "seinem Herzen einen Stoss geben", "ans Herz gewachsen", ... usw.

"Herz" wird fast synonym mit "Geist" gebraucht wie z.B.: in Hesekiel 36,26+27 oder:

Psalm 51,19

"Wenn ein Mensch dir Herz und Geist hingibt, wenn er mit sich am Ende ist und dir nicht mehr trotzt – ein solches Opfer weist du nicht ab."

Psalm 143,4

"Mein Geist ermattet in mir, mein Herz ist erstarrt in meinem Innern."

 

  • Verstand

Hans-Jörg Ronsdorf: "Die Bibel stellt den Unterschied von Geist und Verstand heraus, obwohl der Geist sowohl denkt, als auch fühlt. Das Denken, das wir dem Verstand zuordnen, ist nur eine Funktion des Geistes.“  *(9)

Wie ist das zu verstehen? Das Denken lediglich eine Funktion des Geistes?

 

 

 

 

 

Schlussinterpretation:

Geist ist ein uneinheitlich verwendeter Begriff der Philosophie, Theologie, Psychologie und Alltagssprache. Statt des Adjektivs geistig wird fachsprachlich auch der Ausdruck mental gebraucht. Geist ist meist ein Synonym für die individuelle menschliche Psyche (Wahrnehmung, Gefühl, Bewusstsein, Denken, Erinnerung, Motivation, Konzentration, Kreativität, Träume und vieles mehr). 

"Mit religiösen Vorstellungen von einer Seele bis hin zu Jenseitserwartungen verknüpft, umfasst Geist die oft als spirituell bezeichneten Annahmen einer nicht an den leiblichen Körper gebundenen, nur auf ihn einwirkenden reinen oder absoluten, transpersonalen oder gar transzendenten Geistigkeit, die als von Gott geschaffen oder ihm gleich oder wesensgleich, wenn nicht sogar mit ihm identisch gedacht wird."   *(10)

 

Anspielungen auf die Existenz eines menschlichen Geistes kommen in der Bibel vor, das aber ausschliesslich im Alten Testament und bei Paulus. Jesus hat diese Begrifflichkeit gar nicht verwendet. Er sprach eher vom "Herzen".

Ob diese Texte im Alten Testament und bei Paulus tatsächlich so zu verstehen sind, dass der Mensch einen eigenen Geist besitzt, den man ansprechen kann als Gegenüber? 

Vertreter der These eines „menschlichen Geistes“ stellen die Formel „Geist, Seele und Leib“ der Dreieinigkeit Gottes gegenüber. So wie Gott selber drei in einem ist (Vater Sohn und Heiliger Geist), so habe Gott auch den Menschen geschaffen. Das ist wohl ein schöner Gedanke, aber was ist mit Herz und Verstand und mit der Seele? Ausserdem könnte man den Menschen auf Grund der Aussage von Jesus in Matthäus 22,37 genauso als Dreiklang "Herz, Seele, Gemüt" interpretieren. Aber auch hier gäbe es viele offene Fragen, was wie bei "Geist Seel und Leib" in den vielen unterschiedlichen Übersetzungen zum Tragen kommt. Luther gebraucht z.B. das Wort "Gemüt". Die Gute Nachricht "Willen und Verstand". Die Hoffnung für alle mit "ganzer Hingabe und ganzem Verstand". Im griechischen Urtext wird neben "Herz und Seele" ein Begriff verwendet, der "Denkkraft" bedeutet, also mit Verstand übersetzt werden kann. *(11) Jesus zitiert hier 5. Mose 6,5 aus dem Alten Testament, wo ein Wort verwendet wird, das meistens mit "Kraft" übersetzt wird. Die beiden Dreiklänge (von Paulus und von Jesus) sind sich sehr ähnlich und lassen vermuten, dass es sich um dieselbe Sache handelt. In allen aufgeführten Bibelstellen geht es ums Innerste des Menschen. Nicht mehr und nicht weniger.

Auf Grund der Auseinandersetzung mit dem Thema, habe ich nicht den Eindruck bekommen, dass die Bibel einen „menschlichen Geist“ proklamiert, welcher personal ist und damit ansprechbar. Es wird zwar an wenigen Stellen von "unserem" oder "eurem" Geist gesprochen, aber nirgends wirklich definiert und schon gar nicht erläutert. In der Bibel sind keine Lehraussagen zum Thema zu finden. Es scheinen eher Redewendungen oder Gruss- und Segensformeln oder literarische Ausdruckformen zu sein. 

Es sollte aus dem Thema "menschlicher Geist" keine grosse Sache gemacht werden. Es gibt zu viele nicht definierte Andeutungen. Zu viele offene Fragen. Zu viele unterschiedliche Begrifflichkeiten und Überschneidungen: Seele, Geist, Herz, Verstand. Ich finde es heikel, wenn aus so diffusen Verhältnissen Glaubenssätze gemacht werden. Es wird viel zu viel in die Hinweise hineininterpretiert. Es stellt sich die Frage, warum es nicht genügt, den Menschen direkt als selbständige, denkende Person mit einem eigenen Willen in seiner Ganzheit anzusprechen? Warum der "Geist von", und nicht einfach "Du Mensch". Warum sollte der Mensch quasi in seine Bestandteile zerlegt werden? Kann unser Sein überhaupt so auseinander dividiert werden? Ist es nicht sinnvoller, den Menschen ganzheitlich zu betrachten? Falsch finde die Ableitung von therapeutischen und seelsorgerlichen Massnahmen aus dieser These eines "menschlichen Geistes".

Ich bin auch mit der Frage konfrontiert worden, ob es nicht gefährlich sei einen Geist des Menschen anzusprechen, oder zu mindest heikel. Die Bibel sagt nichts dazu. Dass aber unter Pneuma (Geist) nicht nur der Geist Gottes sondern auch böse Geister zu verstehen sind, sollte schon zu denken geben. 

Woher die These eines menschlichen Geistes stammt, wenn sie in der Bibel nicht so zu finden ist, kann hier nicht endgültig bestimmt werden. Meine erste Annahme, die These sei geprägt von der Mystik, widerlegt sich dahingehend, dass für den Mystiker es keinen Unterschied zwischen menschlichem und göttlichem Geist gibt. Auch der Körper des Menschen ist in diesem Verständnis ein Ausdruck des Göttlichen und diesem nicht entgegengesetzt. Der Verstand und das Denken sollen so zur Ruhe kommen, um den „einen Urgrund“, also den göttlichen Geist, freizulegen. 

Bleibt noch die Esoterik. Von Gründer der Anthroposophie, Rudolf Steiner habe ich folgende These gefunden: "Durch seinen Leib gehört der Mensch der Welt an, die er auch mit seinem Leibe wahrnimmt; durch seine Seele baut er sich seine eigene Welt auf; durch seinen Geist offenbart sich ihm eine Welt, die über die beiden anderen erhaben ist [...] " *(12)

"Der Geist des Menschen ist sein unvergängliche geistiger Wesenskern, sein individuelles Ich. Durch dieses ist er selbstschöpferisch tätig. Das wird ganz besonders stark im Moment des Todes erlebt und gerade daran entzündet sich das Ich-Bewusstsein nach dem Tod." *(13)

Die hier aufgeführten Thesen aus der Anthroposophie und die grosse Ähnlichkeit mit den Aussagen zum Thema menschlicher Geist, legen den Schluss nahe, dass diese geprägt sind von esoterischem Gedankengut und nicht biblischer Lehre. 

Literaturverzeichnis: 

1+2	https://www.jesus.ch/news/diverse/127197
3	"Erkennen Vergeben Heilen", 3 Schritte Modell für die Seele von Pastor Dr. Daniel Zwahlen, Psychologischer Berater
4	https://www.bibelkommenare.de/lexikon/1841/geist-seele-leib	 
5+6	https://www.dioezese-linz.at/portal/glaubenfeiern/glaube/heiligergeist/article/24112.html&ts=1729350022928
7	https://de.wikipedia.org/wiki/Seele
8	https://www.jesus.ch/information/bibel/neutestamentliches_woerterbuch/146385-seele.html
9	https://www.jesus.ch/news/diverse/127197
10	https://de.wikipedia.org/wiki/Geist
11	"Sprachlicher Schlüssel zum Griechischen NT", D.E. Nestle, Brunnen-Verlag Giessen-Basel, 1974)  
12	https://symbolonline.eu/index.php?title=Geist,_spiritueller
13	https://anthrowiki.at/Geist#:~:text=Der%20Geist%20des%20Menschen%20ist,Ich%2DBewusstsein%20nach%20dem%20Tod.
 

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