Hugenotten, Teil 4, Apostel Stankt Bartholomäus
Im 16. Jh. herrschen unter König Karl IX. Unruhen zwischen Katholiken und Protestanten. Frankreich ist gespalten. Die Fürsten nutzen die gefährliche innenpolitische Lage des Landes zu ihrem Vorteil und intrigieren. Um Frieden zwischen den beiden Lager zu ermöglichen, soll die Katholikin Marguerite de Valois, der Schwester des Königs, eine Vernunftehe mit Heinrich von Navarra, einer Gallionsfigur der Protestanten, eingehen. Die Feierlichkeiten ziehen Tausende von Protestanten nach Paris.
In Wahrheit geht es der Mutter von König Karl IX. Katharina von Medici jedoch um etwas ganz anderes: Die machtbesessene Regentin will die Herrschaft ihres Sohnes bewahren. Katharina überzeugt den König, dass die Anführer der Hugenotten sterben müssen und ruft einen Massenmord an den Protestanten aus, der in den frühen Morgenstunden des 24. August 1572 dem Festtag des Apostels Stankt Bartholomäus seinen blutigen Höhepunkt findet.
"Massaker der Bartholomäusnacht", Gemälde von François Dubois, um 1584
Einmal die Leidenschaften angefacht, entarteten die religiösen Auseinandersetzungen zu regelrechten Porgomen (Hetze und gewalttätige Angriffe gegen Leben und Besitz einer religiösen, nationalen oder ethnischen Minderheit mit Duldung oder Unterstützung der Staatsgewalt).
Dieses Pogrom an den Hugenotten fand in der Nacht vom 23. zum 24. August 1572, dem Bartholomäustag, statt.
Catherina de Medici, die schwarze Witwe, starrt auf die toten Protestanten, eine Folge des Massakers der Bartholomäusnacht
Debat-Ponsan, 1880, Louvre
Gaspard de Coligny
Durch die Freundschaft der Familie Coligny mit der Familie Guise empfängt Gaspard am Hof eine humanistische Bildung. Unter Heinrich II. wird Gaspard schliesslich königlicher Berater. Als 28 Jähriger wird er zum Generaloberst der gesamten französischen Infanterie befördert. Mit Erfolg führt er gegen England einen Blockadekrieg und schliesst Frieden. Bald wird er Gouverneur von Paris und wird 1552 zum Admiral ernannt. Es wird ihm der Verdienst zugeschrieben, aus einem Haufen von Soldaten, die aus Räubern und Brandstiftern bestand, Zucht und Ordnung gebracht zu haben und damit eine Million Menschenleben und ebensoviel Vermögen geschont und erhalten zu haben.
1556 erhält Coligny den Befehl vom König, die Stadt Saint-Quentin zu verteidigen. Er schließt sich darin ein, muss aber einige Monate später kapitulieren. Er wird verhaftet und kommt von 1557 bis 1559 in den Kerker von Karls V., ein Angehöriger des Herrscherhauses Habsburg und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (siehe Karte des "Heiligen Römischen Reiches" in der Gallerie unten). Verzweiflung, Einsamkeit und Krankheit führen ihn in eine Krise. Die Bibel ist seine einzige Lektüre. Spätere Ermahnungen seines Bruders d‘Andelot, seine im Glauben gereifte Frau und ein Briefwechsel mit Calvin überzeugen ihn davon, sich dem Protestantismus anzuschliessen. In den Hugenottenkriegen 1562/1563 und 1567 bis 1570 kämpft Coligny als Feldherr und politisches Oberhaupt der Hugenotten gegen die katholischen Truppen und politisch gegen den Einfluss der Familie Guise. Er war aber bemüht um Kompromisse mit König Karl IX. 1570 erzwingt er den Frieden von St-Germain, welcher für die Hugenotten Amnestie und die Glaubensfreiheit bringt.
Als Admiral steht Coligny auf den Stufen des Throns. Sein wachsender Einfluss auf den König führte, als er im Vertrauen auf die Gunst des Königs zur Vermählung des Königs Heinrich von Navarra nach Paris kam, zum Attentat am 22. August 1572. Die Königsmutter Katharina von Medici und die Familie Guise initiierten zwei Tage später ein Massaker an den Hugenotten. Coligny und die Mehrzahl der prominenten und einflussreichen Hugenotten fanden in der Nacht des 24. August 1572 den Tod.
Bild: Gaspard de Coligny von einem unbekannten Maler
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=131483551
Heinrich von Navarra
Heinrich war ab 9. Juni 1572 als Heinrich III. König von Navarra und ab 2. August 1589 als Heinrich IV. König von Frankreich.
Nach dem Massaker der Bartholomäusnacht wurde der neuvermählte Heinrich gefangen genommen und vor Karl IV. geführt. Er bekam die Wahl zwischen Gefangenschaft in der Bastille, Tod durch den Galgen oder Übertritt zum Katholizismus. Er entschied sich am 25. Juli 1593 für Letzteres und rettete dadurch sein Leben. Heinrich schrieb, vermutlich unter Katharinas Diktat, an Papst Gregor XIII. eine Bitte um Aufnahme in die katholische Kirche. Seine Konversion bezeichnete er als „gefährlichen Sprung“. Der dazu immer wieder zitierte Satz „Paris ist eine Messe wert“ wurde ihm später von den Protestanten in den Mund gelegt. Für die folgenden 39 Monate war Heinrich Staatsgefangener, während der vierte Hugenottenkrieg das Land heimsuchte. Die führerlosen Hugenotten wurden zunehmend auf die Städte La Rochelle, Nîmes und Montauban zurückgedrängt.
Mit der, auch auf Anraten mancher Vertrauten von Heinrich vollzogenen Konversion stand seinem Thronanspruch nichts mehr im Wege. Er wurde am 27. Februar 1594 in der Kathedrale Notre_Dame de Chartes gesalbt und als Heinrich IV. zum König gekrönt. Als König söhnte er sich mit dem Oberhaupt der Liga und dann auch mit dem spanischen König Philipp II. aus. Das Land wurde nach langer Zeit wieder geeint. Am 30. April 1598 erliess König Heinrich IV. als eine seiner größten politischen Entscheidungen das Edikt von Nantes, das bis zum Edikt von Fonainebleau 87 Jahre Religionsfrieden sichern sollte.
Am 14. Mai 1610 stellte sich der königlichen Karosse in einer engen, schlecht befahrbaren Strasse ein Hindernis in den Weg. Zwei Wagen wollten aneinander vorbei, konnten dies aber nicht, weil die Strasse zu schmal war. Die Edelleute stiegen bis auf einen Herzog aus, so dass Heinrich völlig ungeschützt war. Dass nur zwei Personen in der Karosse waren, erklärt, warum niemand den Mörder hat kommen sehen, der auf den Wagen sprang und mit einem Messer dreimal in die Brust des Königs stiess. Es ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt, ob der Attentäter nicht doch Hintermänner hatte, denn die Zahl der Attentate auf den König war – mit 18 Versuchen – aussergewöhnlich hoch.
Bild: Atelier/Werkstatt von Jan van Ravesteyn - www.rijksmuseum.nl
Bezüglich des Ursprungs des Plans zum Massaker in der Bertholomäusnacht können keine genauen Angaben gemacht werden, nur dass die Entscheidung vermutlich von der königlichen Familie und einigen Mitgliedern des Hofes getroffen wurde. Dass der König von seiner Mutter oder sonstigen Personen überredet wurde, lässt sich ebenfalls nicht beweisen. Auch über den Zeitpunkt gibt es keine gesicherten Daten. Die Quellen legen nur dar, dass erst am 23. August exakte Befehle zum Töten der Hugenottenführer entstanden waren. Es wurde der Befehl zum Erstschlag gegeben, um Admiral Coligny und gut zwei bis drei Dutzend der protestantischen Edelleute zu töten. Die anfangs gezielten Mordaktionen entgleiten schnell jeder Kontrolle. Drei Tage dauert das Gemetzel. Es kommt zu furchtbaren Greueltaten. Die Katholiken tragen als Erkennungszeichen ein weisses Kreuz am Hut. Sie brechen alle Häuser auf, in denen Protestanten vermutet werden. Die Strassen sind rot von Blut. In Paris sterben um die 4.000 Protestanten. Am 26. August erscheint der König vor dem Parlament und übernimmt die Verantwortung für das Massaker. Sobald die Nachrichten aus Paris in den Provinzen eintreffen, kommt es auch dort zu Gewalttaten. In den Provinzstädten, aber so gut wie nie auf dem Lande, dauert das Morden bis Anfang Oktober. Insgesamt sterben ausserhalb von Paris mindestens 10.000 Protestanten.
Nach der Bartholomäusnacht hielten der König und besonders Katharina an der alten Politik fest: Das Edikt von Saint-Germain sollte in Kraft bleiben, Versammlungen der Hugenotten wurden nur untersagt, um eine Bewaffnung zu verhindern, ausserdem wollte sich die Krone unter keinen Umständen den in Spanien sitzenden Habsburgern beugen, und ein Bündnis mit Philipp II. wurde weiterhin abgelehnt. Papst Gregor XIII., ließ bei Bekanntwerden des Massakers zum Dank ein Te Deum singen und eine Gedenkmünze prägen.
Filmempfehlung:
Die Bartholomäusnacht
Die Historientragödie von Patrice Chéreau beschwört eins der blutigsten Kapitel der französischen Geschichte: die Ermordung der Protestanten.
Weitere Artikel zum Thema Hugenotten
Art. 1 Eine revolutionäre Entdeckung Art. 2 Gegenreformation Art. 3 Gewogen + für zu leicht befunden Art. 5 Der singende Tod Art. 6 Wege zur Toleranz Art. 7 Seelen fischen
Art. 8 Absolutismus Art. 9 Gewalt übersteigt die Vernunft Art. 10 Sechs Möglichkeiten Art. 11 Füsse im Feuer Art 12 Eingeklemmt Art. 13 In der Wüste Art. 14 Gänsespiel
Art. 15 Wahre Stärke Art. 16 Mayflower Art. 17 Böses Erwachen Art. 18 Guerilliakrieg Art. 19 Nichts wie weg Art. 20 Asyl Art. 21 Gratin cardon genevois
Art. 22 Ein Sturm kommt auf Art. 23 Ekstatische Phänomene Art. 24 Auf den Spuren der Hugenotten
Kommentar verfassen