Stadt des Blutvergiessens

 

Jona

 

Die biblische Geschichte von Jona und dem Wal kennt fast jeder. Sie erzählt davon, wie es ist, kneifen zu wollen - und damit nicht durchzukommen. Allerdings gibt es in der Bibel auch noch eine andere Seite. Es sind wie zwei Erzählstränge, zwei Seiten einer Medaille:

a)  Die Erzählung im Buch Jona über den Propheten selber

Im Buch Jona sehen wir, dass Jona viel viel Mühe gehabt hatte mit dem, was Gott ihm sagte. Es war für ihn dermassen undenkbar, dass er die Botschaft Gottes nicht weitergeben wollte. Hauptpersonen wären eigentlich die „Bösen“. Durch das Verhalten von Jona wird er selber aber zum Mittelpunkt. Alles dreht sich nur um ihn. Es stellt sich die Frage, ob wir Frommen für Gott das eigentliche Problem sind?

 b)   Die Sichtweise des Königbuches, der Chroniker und der Propheten

Hier sehen wir das Ganze aus dem Blickwinkel der Weltgeschichte. Es ist die gleiche Geschichte, aber aus einer ganz anderen Perspektive. Mit diesem Einblick in die Geschichte von damals lässt sich auch der Bericht von Jona besser verstehen.

 

2.Könige 14,24-27

Im 15. Regierungsjahr von Amazja, dem König von Juda, wurde Jerobeam, der Sohn von Joasch, König von Israel. Er regierte 41 Jahre lang in Samaria 24 und tat, was dem HERRN missfällt, genauso wie Jerobeam, der Sohn Nebats, der die Leute des Reiches Israel zum Götzendienst verführt hatte. Doch gelang es ihm, alle Gebiete, die zum Reich Israel gehörten, zurückzuerobern, von Lebo-Hamat bis hinunter zum Toten Meer. Damit ging in Erfüllung, was der HERR, der Gott Israels, durch seinen Diener versprochen hatte, durch den Propheten Jona, den Sohn von Amittai aus Gat-Hefer. Denn der HERR hatte gesehen, wie erbärmlich schlecht es um die Israeliten stand, dass sie allesamt am Ende waren und dass niemand da war, der ihnen hätte helfen können. Noch hatte der HERR nicht beschlossen, das Reich Israel vom Erdboden verschwinden zu lassen, und so half er ihnen durch Jerobeam, den Sohn von Joasch.

 

Es ist hier die Rede von einem Königreich Juda und einem Königreich Israel. Nach Salomo ist das Königreich von David wegen Streitigkeiten auseinandergebrochen in 2 unterschiedliche Reiche: 

 

a) Nordreich Israel mit der Hauptstadt Samaria

b) das Südreich Juda mit der Hauptstadt Jerusalem

 

Es wird berichtet, dass im Reich Israel der König Jerobeam II. regierte (von 781 bis 742 vor Christus). Von ihm heisst es: „Er tat, was Gott missviel“ und zwar genauso wie sein Vorgänger Jerobeam I., welcher das Volk zum Dienst an anderen Götter hatte verführen lassen.

Die Regierungszeit des Königs Jerobeam II. war allerdings eine Zeit der Gnade für Israel und dies, obwohl dieser tat, was Gott ganz und gar nicht mochte. Das muss man sich auf der Zunge vergehen lassen. Jerobeam stand gut da. Er konnte sogar Gebiete zurückerobern und den Staat stabilisieren. Das steht hier einfach so nebeneinander: Gottloses Verhalten und Erfolg. Das ist total verrückt. Kaum zu glauben. Aber es deckt sich mit unseren Erfahrungen.

 

Als Erklärung wird uns lediglich gesagt, dass Gott mit Israel Erbarmen hatte:

„Der HERR hatte gesehen, wie erbärmlich schlecht es um die Israeliten stand, dass sie allesamt am Ende waren und dass niemand da war, der ihnen hätte helfen können.“

 

In diesem Zusammenhang werden wir konfrontiert mit einem starken Volk aus dem Nordosten, mit dem Israel es zu tun hatte: 

Die Assyrer

Die Assyrer waren gebildete Leute. Es war die Hochkultur der damaligen Welt.Sie konnten schreiben (Keilschrift) und sie konnten Hohe Türme bauen. Sie errichteten Stadtmauern von 10 Metern Höhe und kleideten diese mit farbigen Kacheln ein, nur um zu beeindrucken. Sie waren nicht nur kulturell sehr erfolgreich, sondern auch militärisch. 

 

Bereits 853 v.Chr. gab es eine antiassyrische Koalition die sich der assyrischen Expansion erfolgreich entgegen stellte. Ahab erscheint als dritter der verbündeten Könige und stellt das größte Kontingent. Die Bibel erwähnt allerdings diesen bedeutenden aussenpolitischen Erfolg Ahabs nicht. 

Der schwarze Obelisk des assyrischen Herrschers Salamansser III. zeigt auf einem seiner 20 Reliefs die Tributzahlung eines israelitischen Königs, 841 v.Chr.. Der zugehörigen Inschrift zufolge handelt es sich dabei um Jehu. Dieser war Oberst im Heer des Nordreiches. Die Machtübernahme Jehus gelang durch die Unterstützung des Militärs und führte zum Sturz der Dynastie des Vorgängers König Ahabs. 

 

Die Hauptstadt von Assyrien war Ninive. Es war die grösste Stadt der damaligen Welt mit herrlichen Palästen und Tempeln, breiten Straßen und wuchtigen Mauern. Auch grösser als Babylon. Es hat sich herausgestellt, dass Ninive einen Komplex von vier grossen uralten Städten darstellt, deren Umwallung noch heute erkennbar ist. 

Der hebräische Prophet Nahum nannte sie „Stadt des Blutvergießens“. Er sieht die Zerstörung von Ninive (612 v. Chr.) als Ereignis der Zukunft.

Nahum 3,1-3

Weh der Stadt, die so viel Blut vergossen hat, die Lüge und Verstellung meisterhaft beherrscht! Vollgestopft ist sie mit Raub und kann doch das Rauben nicht lassen. Ihr Untergang naht mit Peitschenknall und Rädergerassel, galoppierenden Pferden, rasenden Wagen und daherjagenden Reitern. Schwerter wie Flammen und blitzende Speere! Haufen von Gefallenen, man stolpert über die Leichen, sie sind nicht zu zählen!

 

Diese Bezeichnung war treffend, wie Reliefs aus dem Palast Sanheribs in Ninive bezeugen. In einer Szene ist zu sehen, wie einem gefesselten Gefangenen die Zunge herausgerissen wird. Auf Inschriften brüsten sich die Assyrer, sie hätten ihre Gefangenen mit Stricken abgeführt, die mit Haken an den Lippen oder an der Nase befestigt waren. Hohen Beamten hängte man als makabren „Halsschmuck“ die abgeschlagenen Köpfe ihrer Könige um.

Der Assyriologe Archibald Henry Sayce beschreibt die Barbareien nach der Einnahme einer Stadt wie folgt: „Pyramiden menschlicher Köpfe säumten den Weg des Eroberers; Jungen und Mädchen wurden bei lebendigem Leib verbrannt oder für ein noch schlimmeres Schicksal aufbehalten; Männer wurden gepfählt, lebendig gehäutet. Die abgezogenen Menschenhäute auf Gerüsten vor dem Tor der bekämpften Stadt aufgespannt. Menschen wurden geblendet oder es wurden ihnen Hände und Füße oder Nase und Ohren abgeschnitten, um sie dann zu hause als Siegestrophäe zu präsentieren.“

 

Wir dürfen diese schrecklichen Dinge aber nicht isoliert betrachten. Das waren gängige Praktiken zu der Zeit. 

Allerdings erfahren wir in der Bibel, dass das Verhalten der Assyrer in den Augen Gottes nicht mehr tragbar war. Mehr erfahren wir nicht. Das ist der grobe Zusammenhang in dem Jona den Ruf Gottes erfährt. 

Jona 1,2

Geh in die große und mächtige Stadt Ninive und kündige ihren Bewohnern mein Strafgericht an! Denn ihre Bosheit schreit zum Himmel, ich kann sie nicht länger mit ansehen!

Jona hat von all diesem schrecklichen Tun der Assyrer gewusst. Ihm war bewusst, was da auf Israel zukommen würde. Er kannte die Expansionsgelüste der Assyrer, die ihr Reich bis nach Aegypten ausbauen wollten.

Die Assyrer entwickelten sich jetzt zu einer Weltmacht. Es war absehbar, dass Israel es früher oder später mit den Assyrern zu tun bekommen würde. Um die Weltherrschaft zu erlangen mussten die Assyrer die Vorherrschaft der Ägypter brechen und somit über Israel nach Ägypten ziehen.

Warum sollte Jona den Assyrern helfen, indem er ihnen vom lebendigen Gott erzählt? 

Wir erfahren von Jona höchstpersönlich, dass an dieser Stelle der wahre Grund für seine Verweigerung lag:

 

Jona 4,2+3

Ach, HERR, habe ich das nicht gleich geahnt, als ich noch zu Hause war? Darum wollte ich ja auch so rasch wie möglich nach Tarsis fliehen! Ich wusste es doch: Du bist ein gnädiger und barmherziger Gott. Deine Geduld ist groß, deine Liebe kennt kein Ende. Du lässt dich umstimmen und strafst dann doch nicht. Darum lass mich nun sterben, HERR, das ist besser für mich als weiterzuleben!

 

Diese Worte von Jona beinhalten die frohe Botschaft von der Gnade Gottes. Das müsste Freude hervorrufen und nicht Todeslust. Das Motiv für die Flucht von Jona lag nicht in der Angst vor der Schwierigkeit bei der Ausführung des Auftrags. Es war die Besorgnis, die göttliche Barmherzigkeit möchte der sündigen Stadt, wenn diese Busse täte, Verschonung zukommen lassen. Dazu will Jona nicht mitwirken. Gott würde sowieso gnädig sein und den Assyrern vergeben, wenn sie Busse tun würden. Jona kannte das aus der eigenen Geschichte des Volkes Gottes. Lieber abhauen und Gottes Auftrag sausen lassen. Dann würden die Assyrer Gott erzürnen und er würde Israel helfen. Das ist etwas einfach gestrickt, aber es entsprach der damaligen Haltung. Anstatt den Assyrern zu helfen, würde er lieber sterben.

Jona hat sich in zwei Punkten verrechnet:

  1. dem Einfallsreichtum Gottes. Also mit einem Fisch, der ihn zurückbringt, hat Jona bestimmt nicht gerechnet. 

    Auch nicht damit, wie gross Gottes Einfluss ist. Seine lieblosen und abschätzigen Worte gingen in die Herzen.

  2. Jona hat auch die Liebe und Barmherzigkeit Gottes unterschätzt.

    Aufgehen tut die Rechnung nicht, weil niemand Gottes Liebe gepachtet hat. Auch wir nicht. Gott will zu allen Menschen Zugang haben. 

 

Tatsächlich ist es so gekommen, wie Jona befürchtet hatte. Allerdings aus eigener Schuld. Über die Untaten des Königs Jerobeam konnte Gott noch hinwegsehen. Jetzt aber ist es genug.

Nach Jerobeam änderte sich die Lage. Nur wenige Jahre später spricht ein anderer Prophet, der Jesaja. Dieses Mal geht die Nachricht an das Volk Gottes, die Frommen und damit auch an Jona. Gott lässt sie wissen, dass er genug hat von ihnen. Er schickt jetzt die „Bösen“, die Assyrer. Sie werden zum Werkzeug in Gottes Hand. Das Reich bricht zusammen. Die Hälfte der Menschen wird deportiert.

Jetzt müssen andere den Preis für das Verhalten von Jerobeam II. bezahlen. Gott beurteilt im Rückblick die Situation folgendermassen:

 

Jesaja 10,5+6

„Assyrien war der Stock, mit dem ich meinen Zorn zu fühlen gab. Ich habe es gesandt, um ein Volk zu bestrafen, das sich von mir losgesagt und meinen Zorn herausgefordert hat. Ich habe Assyrien erlaubt, dieses Volk zu berauben und auszuplündern und es zu zertreten wie Strassendreck.“

Mit dem Aufkommen der Assyrer ging das Nordreich Israel unter. Dies geschah aber nicht plötzlich, auf einen Schlag, sondern nach und nach, weil Israel häufig gegen die Herrschaft von Assyrien rebellierte.

 

Lediglich einige Verse weiter: Es ändert sich nochmals alles. Jetzt rechnet Gott mit den Assyrern ab, und zwar wegen ihrer Überheblichkeit.

Jesaja 10,5-15

Aber der König von Assyrien wollte mehr, er schmiedete seine eigenen Pläne. Vernichten wollte er, ganze Völker ausrotten, so viele wie möglich. Er sagte sich: 'Alle Befehlshaber meiner Truppen sind so mächtig wie Könige. Eine Stadt nach der anderen habe ich erobert: Kalne und Karkemisch, Hamat und Arpad, Samaria und Damaskus.  Mit meiner Macht habe ich Königreiche unterworfen, die mehr Götter und Götterbilder haben als Jerusalem und Samaria.  Ich habe Samaria und seine Götter vernichtet. Und ausgerechnet Jerusalem und seine Götterbilder sollten diesem Schicksal entgehen?'« Aber der Herr sagt: »Erst will ich zu Ende führen, was ich gegen Jerusalem und den Zionsberg im Sinn habe. Dann werde ich mit dem König von Assyrien abrechnen, mit seiner überheblichen Selbstherrlichkeit und dem Hochmut, mit dem er auf andere herabsieht. Ich werde mit dem König von Assyrien abrechnen, mit seiner überheblichen Selbstherrlichkeit und dem Hochmut, mit dem er auf andere herabsieht. Dieser König hat es gewagt, zu sagen: ›Aus eigener Kraft habe ich das alles getan, durch meine Klugheit habe ich es fertiggebracht. Die Grenzen zwischen den Völkern habe ich beseitigt, ihre Vorräte geplündert und ihre Könige vom Thron gestoßen wie ein Stier. Wie jemand ein Vogelnest ausnimmt, so habe ich die Schätze der Völker genommen. Wie jemand die Eier einsammelt, die der Vogel verlassen hat, so habe ich alle Länder eingesammelt. Da war keiner, der mit den Flügeln nach mir schlug, keiner, der den Schnabel öffnete und einen Piep von sich gab.

 

Schluss:

In unserer Geschichte von Jona reibt man sich verwundert die Augen: 

  • Dem Volk Israel geht es gar nicht gut. Gott sieht das und lässt sie trotz einem miserablen König eine Zeit des Friedens und Wohlstandes erleben.
  • Der König Jerobeam lässt andere Götter anbeten. Gleichzeitig aber hat er Erfolg und kann sein Königreich vergrössern und sichern.
  • Die Bösartigkeit der Assyrer stinkt bis zum Himmel. Gott aber schlägt nicht zu, sondern sendet den Propheten Jona, um die Menschen zu warnen und sie zur Umkehr zu bewegen.
  • Der Prophet Jona nimmt diesen Auftrag nicht an und haut ab. Er will nicht den Feinden helfen. Gott lässt nicht locker und bringt ihn an den Ort, wo er ihn haben möchte.
  • Die schlechteste aller schlechten Botschaften – 3 Worte. Aber sie schlägt ein. Die Assyrer beugen sich vor dem lebendigen Gott. Jona hat also Erfolg, obwohl er sich dagegen gesträubt hat.
  • Es ist der Worst Case denn genau das ist eingetroffen, was Jona vermeiden wollte. Jona ist zornig. Gott aber hat Geduld mit ihm und erklärt sich.
  • Das Volk Israel entfernt sich von Gott. Jetzt gebraucht Gott Assyrien, um sein Volk zu massregeln und es zu sich zurück zu führen.

 

Ein unglaubliches Hin und Her. Ich möchte nicht in Gottes Haut stecken. Was der sich alles gefallen lassen muss.

Letztlich auch von Jona: Was der sich erlaubt. Das könnte einem im Hals stecken bleiben. Jona ist kaltblütig, berechnend, überheblich. Und Gott lässt das offensichtlich mit sich machen. Hier gibt es auch manche schmerzvolle Parellelen zum Leben hier in unserer Zeit. Wir Christen können ganz schön berechnend und überheblich sein.

Was ist mit unserer Welt los? Was ist mit uns Menschen los?

Ich weiss auch nicht. Ich verstehe vieles nicht. Eines weiss ich: Gott schreibt in diesem Durcheinander seine Geschichte. Seine Geschichte ist mit unserer Geschichte und mit der Weltgeschichte wie verwoben.

Gott geht Wege, die wir uns nicht vorstellen können. 

 

Es lohnt sich ihm zu vertrauen. Gott viel Raum im eigenen Leben geben.

 

Was ist zu tun? Einige müssen ihr Gottesbild revidieren: 

Wir haben es mit einem Gott zu tun, der alle Menschen liebt. 

Ein Gott aller Rassen

Petrus hat später erst durch eine besondere Offenbarung und Erfahrung diese Erkenntnis gewonnen, die er mit den Worten ausspricht: 

 

Apostelgeschichte 10,34

„Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht, sondern in allerlei Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der wird von ihm angenommen.“ 

"In einer Zeit, wo Rassenhass und Nationalismus, politische Intoleranz und religiöser Fanatismus die Völker vergiftet, ist uns das Wort Gottes an Jona ein helles Licht. Ja, er ist gnädig, barmherzig, langmütig und von grosser Güte zu allen, die sich rufen lassen!“

(Zitat aus: Das lebendige Wort - Kleine Propheten 1; Hans Brandenburg; Seite 65; BrunnenVerlag Giessen)

 

Videoclip zu Noah und der Stadt des Blutvergiessens

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