Friede ist Utopie
Fast zwei Jahre sind vergangen, seit ein fanatischer Mob das Kapitol in Washington stürmte. Der Angriff der Anhänger des in der Wahl unterlegenen Präsidenten Trump galt dem Symbol einer der ältesten Demokratien der Welt.
Eine der jüngsten Demokratien, die Ukraine, muss sich seit dem 24. Februar dieses Jahres eines brutalen Angriffskriegs erwehren. Beide Ereignisse dementieren nicht nur jenen Fortschrittsoptimismus, wonach der Weg der Menschheit zielgerichtet in das Reich von Freiheit, Sicherheit und Recht führe. Sie offenbaren auch den perversen Gehalt zweier politischer Theologien.
Mit der Hoffnung auf die Unverwundbarkeit der amerikanischen Demokratie dahin ist das Vertrauen auf jenen Gott des Westens, über den auf den Dollarnoten zu lesen ist: „In God we trust“. Dass die Amerikaner in diesem Zeichen in der Welt für Ordnung sorgten, nahm nicht immer ein gutes Ende. In Gestalt der religiösen Rechten richtet sich das zerstörerische Potential des amerikanischen Messianismus nun auch gegen das eigene Gemeinwesen – mit ungewissem Ausgang.
Nicht besser steht es um jenen Gott des Ostens, in dessen Namen der Westen seit Jahrzehnten als dekadent und verderbt geschmäht wird. Inzwischen schrecken Repräsentanten der russischen Orthodoxie nicht einmal davor zurück, als Zeichen der „Symphonie“ von Staat und Kirche Angriffswaffen zu segnen und den Mord an Zivilisten in eine zivilisatorische Mission umzudeuten. Blasphemie, so schallt es aus der Ukraine und anderen Ländern zurück. Doch das wird Putin und seine Patriarchen nicht davon abhalten, am 7. Januar im Lichterglanz der orthodoxen Weihnacht Gesänge zum Lob ihres Erlösers anzustimmen.
Ist es daher ein Wunder, dass Religionen in so gut wie keiner der vielen Krisendiagnosen dieser Tage als Ressourcen gelten, die Gesellschaften widerstandsfähiger gegen die vielen Erschütterungen unserer Tage machen? Dass es um das Friedenspotential des politischen Islams nicht zum Besten steht, hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten blutig gezeigt.
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