left behind

Entrückung

 

Essay

 

Der Ort des Schauspiels ist eine vollbesetzte Boeing über dem Atlantik. Die Passagiere sind zum größten Teil am Schlafen. Plötzlich aber verschwinden einige. Nach und nach schreien hinterbliebene Passagiere furchterregt auf, wenn sie feststellen, dass ihre Sitzpartner fehlen. Eltern sind ausser sich, weil alle Kinder verschwunden sind. 

Das tönt nach Science-Fiction, ist aber ein Szene aus einer Buchreihe, die beansprucht, christliche Eschatologie (Lehre von den Letzten Dingen, d. h. vom Endschicksal des einzelnen Menschen und der Welt)  anhand biblischer Aussagen zu sein. 

Tim LaHaye (Timothy F. LaHaye, *27.04.1926, †25.07.2016, mit Jerry B.Jenkins) schuf vor über 25 Jahren die heute stolze 16 Teile umfassende Buchreihe. Die Reihenfolge begann schon im Jahre 1995 und im Jahr 2007 erschien dann der aktuell letzte Band der Finale: Die letzten Tage der Erde.

Das Szenario wurde auch im Kinofilm "Left Behind - die letzten Tage der Erde" von Nicolas Cage im Jahr 2019 auf die Kinoleinwand gebracht. Das Unvorstellbare geschieht, die Erde bebt infernalisch und danach sind alle Kinder und gläubigen Menschen wie vom Erdboden verschluckt. Übrig bleiben die Ungläubigen und grenzenlose Panik. Züge entgleisen, Busse rasen über Autobahn-Absperrungen, Geschäfte werden geplündert und die Krankenhäuser sind in Kürze überfüllt.

Ob es nun die Eiszeit-Filmversion "the day after tomorrow" oder das Hitzeflut-Filmszenario "2012" ist - die Welt ist in den Köpfen der Menschen schon tausende Male untergegangen. Etwa die Hälfte der Bevölkerung der Schweiz ist sich laut einer repräsentativen Umfrage darin einig, dass unser Planet sich nicht immer weiterdrehen wird. 

 

Wie aber vollzieht sich das Ende und was geschieht danach? Die Bibel berichtet jedenfalls nicht von einem Weltuntergang der Art eines finalen Endes. Es ist vielmehr eine Vollendung. Alles ist auf die Wiederkunft von Jesus Christus ausgerichtet. Niemand weiss wann und wo es geschehen wird. Unsere Bereitschaft ist entscheidend.

Viele Gläubige sehnen sich danach, dass Jesus als Erlöser auf einer Wolke herabkommt und sie zu ihm in den Himmel entrückt werden. Sie hoffen darauf, dass sie dies noch vor der sogenannten Trübsal erleben, und sie so von den prophezeiten Katastrophen verschont blieben und dass sie mit der Entrückung auch dem Tod entgehen würden. 

 

 

Was steht zum Thema Entrückung tatsächlich in der Bibel?

Die folgenden Bibelstellen aus dem AT und NT werden zum Thema herangezogen und interpretiert:

Hebräer 11,5

„Weil Hennoch Gott vertraute, wurde er zu Gott geholt und musste nicht sterben. Keiner konnte ihn finden, weil Gott ihn weggenommen hatte. „

Griech.: metatithemi, eigentlich auf einen anderen Platz bringen, an eine andere Stelle setzen. Der Verfasser spricht hier von einem Ereignis aus dem AT (Genesis 5,18-23) und nicht vom Ende der Zeit. Es geht ihm dabei um den Glauben, den er im Sinne von Vertrauen definiert.

2. Korinther 12,2

„Ich kenne einen Christen, der 14 Jahre in den 3. Himmel versetzt wurde …“

Paulus spricht hier von jemandem, den er persönlich kennt. Das Ereignis aber hat er selber nicht miterlebt, denn er kann nicht einmal sagen, ob diese Versetzung körperlich oder geistlich geschehen ist.  Offensichtlich lebt dieser Mensch aber wieder auf dieser Erde.

Apostelgeschichte 8,39

Philippus wird vom Geist weggenommen und findet sich woanders wiederfand. Im Zeitalter von Enterprise könnte man von „beamen“ reden. Dies hat aber nichts mit einer Entrückung zu tun. Es ist keine Entrückung in den Himmel und es ist nicht das Ende der Zeit. Im Gegenteil: Philippus fand sich woanders wieder und erzählte dort das Evangelium in diversen Städten.

Apostelgeschichte 10,10 und 22,17

Der Begriff Entrückung wird von einigen Übersetzern verwendet auch für  „sich in Ekstase befindend“ oder „eine Vision habend“. 

Lukas 17,34-35 und Matthäus 24,40+41

"Ich sage euch: in jener Nacht werden zwei auf einem Bett sein; einer wird genommen und der andere gelassen werden. Zwei werden zusammen mahlen, die eine wird genommen, die andere gelassen werden."

Griech.: paralambano - zu sich nehmen, mit sich nehmen.

Jesus spricht im ganzen Kapitel über das Ende der Welt. Es ist der Weltrichter der kommt und niemand kennt den Zeitpunkt. Es wird überraschend geschehen, so wie die Flut zur Zeit Noah‘s alle überrascht hat. Das Gewicht der Aussagen Jesus liegt zu sehr auf dieser Warnung bereit zu sein, als dass wir daraus eine eigene Lehre machen dürften.

1.Thessalonicher 4,17

„Danach werden die die noch am Leben sind, mit ihnen zusammen auf Wolken dem Herrn entgegen geführt. Dann werden wir für immer beim Herrn sein.“  (nach der Übersetzung „Gute Nachricht“)

Frage:  Was steht da? Was geschieht? (1.Thessalonicher 4,13-5,6)

  • Jesus wird vom Himmel herabkommen
  • Danach werden zuerst die als Gläubige verstorbene Toten auferstehen
  • Danach werden die Gläubigen, die zu diesem Zeitpunkt noch leben, Jesus entgegen in die Wolken entrückt.

Griech: arpazo, „raffen, plötzlich und begierig an sich reissen oder fortreissen im Sinne von rauben, wegführen, wegführen auch mit Gewalt.“

 

Ja, die Bibel berichtet von bestimmten Ereignissen, wo Menschen wie vom Erdboden verschwunden sind. Aber in der Bibel gibt es nur eine einzige Stelle, und zwar 1. Thessalonicher 4,17, wo von einer Entrückung der Christen am Ende der Zeit die Rede ist. Jesus sprach nicht davon und selbst in der Offenbarung des Johannes kommt die Entrückung nicht vor. 

Da das Ereignis der Entrückung nur in einer einzigen Bibelstelle explizit erwähnt wird, ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Autoren der Bibel ihr eine besondere Bedeutung beigemessen haben. 

Das biblische Zeugnis ist viel zu schwach, um daraus Szenarien, wie in der oben erwähnten Buchserie von Tim LaHaye, ableiten zu können. Aussagen zur Entrückung fehlen auch in der Alten Kirche, in der Reformationszeit und bis zum 19. Jahrhundert. Es handelt sich also um eine vergleichsweise neuere Erscheinung (siehe unten: John Nelson Darby). So ist es auch zu erklären, dass es von Seiten der katholischen, lutherischen, reformierten Theologie fast keine Aussagen zur Entrückung  gibt.

Man sollte daraus nicht eine Speziallehre machen. Sicher falsch ist es, daraus Angst zu schüren und Druck aufzubauen, um Christen gefügig zu machen. Unsere Hingabe soll aus freien Stücken geschehen. Bereitschaft ist der Schlüssel. Bereitschaft bedeutet: zu jeder Zeit und nicht nur, weil morgen es zu spät sein könnte.

 

Wie einfältig und kindisch die Vorstellungen sind, verdeutlichen viele Bilder und Videos.

 

Im Internet sind auch spezifische Anleitungen zu finden für die richtige Vorbereitung und entsprechendes Verhalten, damit bei der Entrückung nichts schief gehen kann.

 

 

 

Woher stammt die Theorie der Entrückung?

Letztlich gehen alle Theorien auf den englischen Theologen John Nelson Darby (1800 - 1882) zurück. Er hat erstmals seine Gedanken zur Entrückung formuliert, andere haben seine Gedanken aufgegriffen und in verschiedene Richtungen weitergedacht. Darby war studierter Anwalt. Er entschloss sich nach einer Krise Pfarrer der anglikanischen Kirche zu werden. Er kam später mit Keimzellen der Brüderbewegung in Kontakt und übernahm bald eine führende Rolle. Mit Carl Brockhaus gab Darby die Elberfelder Bibelübersetzung heraus. Ab 1845 war Darby in viele theologische Auseinandersetzungen verwickelt, die zu Spaltungen und Trennungen innerhalb der Brüderbewegung zu offenen und geschlossenen Brüdern führte. Als Darby dann seine Lehren zum Leiden Christi veröffentlichte, kam es zu einer erneuten Trennung. Dasselbe geschah  auch bei Auseinandersetzungen zum Thema Gemeindezucht. Die Anhänger der Lehren Darbys werden heute PlymouthBrüder oder exklusive Brüder genannt, auch Darbisten. John Nelson Darby entwarf die Theorie eines zukünftigen Tausendjährigen Reiches, welches er "Dispensationalismus" nannte, nach dem die Geschichte in verschiedene Zeitalter oder Epochen eingeteilt wird. Die letzte dieser Epochen wird vermutlich tausend Jahre sein, indem ein Reich hier auf Erden aufgerichtet wird. C. Scofield half durch seine Scofield Studienbibel dabei, diese Theorie zu popularisieren, die durch und durch mit Anmerkungen zum Thema des Tausendjährigen Reichs versehen ist.

John Nelson Darby entwarf die Theorie eines zukünftigen Tausendjährigen Reiches, welches er "Dispensationalismus" nannte, nach dem die Geschichte in verschiedene Zeitalter oder Epochen eingeteilt wird. Die letzte dieser Epochen wird vermutlich tausend Jahre sein, indem ein Reich hier auf Erden aufgerichtet wird. Darby, so wie auch andere, behaupteten, dass das zweite Kommen Christi in zwei Etappen stattfinden würde - eine geheime Entrückung, dann das zweite Kommen Christi in Herrlichkeit nach einer siebenjährigen Trübsal.

Es ist erstaunlich, wie Vertreter des Tausendjährigen Reichs (Offb.20) diesen Zeitabschnitt der sieben Jahre erklären: die 70. Woche in Daniels prophetischer Vision (Dan 9:27) folgte nicht dem Kontinuum der vorhergehenden 69 Wochen. Weil die Juden den Messias nicht annahmen, glauben sie an eine "Lücken" - Theorie, nämlich dass das Reich Gottes erst zu einem späteren Zeitpunkt kommen wird. Darby, so wie auch andere, behaupteten, dass das zweite Kommen Christi in zwei Etappen stattfinden würde - eine geheime Entrückung, dann das zweite Kommen Christi in Herrlichkeit nach einer siebenjährigen Trübsal.

 

 

Da wie oben beschrieben, in der Bibel lediglich an einer einzigen Stelle, und zwar 1. Thessalonicher 4,17, von einer Entrückung der Christen am Ende der Zeit die Rede ist, sollten alle Aussagen zur Entrückung, anhand von 1. Thessanonicher 4+5 überprüft werden.

 

Denkanstösse zu 1. Thessalonicher 4,13 - 5,11

  • Die Christen von damals erwarteten, dass Jesus noch zu ihren Lebzeiten wiederkommen würde. Das ist der Hintergrund von Vers 17 und der Aussage zur Entrückung. Es stellte sich die Frage, was mit den Christen geschieht, die bereits verstorben waren (Vers 13). Die Thessalonicher schienen darüber etwas verwirrt gewesen zu sein. Gibt es für die Verstorbenen bei der Wiederkunft Jesu auch Hoffnung? Ja klar, argumentiert Paulus, denn es gibt ja die Auferstehung der Toten (Vers 14).
  • Paulus schreibt mit der Absicht, Klarheit zu schaffen. Er spricht diesen Punkt der Auferstehung beim zweiten Kommen Jesu an, um den Christen Mut zu machen (V18) und sie zu trösten. Daher wird in diesem Text von der Auferstehung der Menschen, die Jesus nicht nachfolgen nichts erwähnt. Das heißt aber nicht dass zuerst eine Auferstehung der Christen stattfinden wird, und zu einem späteren Zeitpunkt eine Auferstehung der Menschen, die nicht an Gott geglaubt haben.
  • Das Thema der Entrückung ist eigentlich kein Thema, sondern lediglich Ausmalung. Die Entrückung ist kein eigenständiges Ereignis. Sie ist eingebettet in Aussagen zur Wiederkunft Jesu.
    • Die bereits Verstorbenen werden wenn Jesus wiederkommt auferstehen (4,13-16)
    • Die noch Lebenden werden mit Jesus entrückt werden (4,17)
  • Die Entrückung wird bei der Wiederkunft Jesu stattfinden. "Bei" meint, es sind sicher nicht Jahre oder gar Jahrzehnte vorher. In 1. Korinther 15,51 wo es Paulus über die Verwandlung der Lebenden geht, spricht er von einem "Wimpernschlag".  Es passiert quasi alles in einem Moment.
  • Die Tatsache, dass Paulus in 1. Thess 5,2 darauf hinweist, Jesus käme wie ein Dieb in der Nacht, deutet nicht auf eine unbemerkte oder geheime Ankunft, sondern auf Sein unerwartetes Erscheinen (Matth 24:44 und 2. Petrus 3,10). Jesus kommt nicht unbemerkt, sondern unerwartet. Wie kann es als ein unbemerktes Kommen bezeichnet werden, wenn es heisst, dass Jesus selbst vom Himmel herabkommen wird, und dieses Erscheinen von einem Befehlsruf, von der Stimme eines Erzengels und von dem Schall einer Posaune begleitet wird! 
  • Auch findet kein Verschwinden der Christen statt. Es heißt, dass sie in den Wolken entrückt werden. Das bedeutet, auf gleicher Weise wie auch Jesus emporgehoben wurde und eine Wolke Ihn vor den Augen der Jünger hinweg genommen hatte. Ein Engel verkündigte ihnen damals, dass Jesus in gleicher sichtbarer Weise wiederkommen sollte (Apg 1,9-11). Es handelt sich also sicher nicht um ein „heimliches Geschehen“. Eine etwaige Entrückung wird für alle Menschen deutlich wahrnehmbar sein.
  • Es war zu römischer Zeit üblich, dass die Bürger einem hohen Würdenträger, der die Stadt in offizieller Mission besuchen wollte entgegen zogen. Der Text (V17) scheint auf diese Tradition anzuspielen und sie auf den König der Welt zu beziehen. Es gilt, vorbereitet zu sein (1. Thess 5,3+6). 
 

Alle Aussagen zur Entrückung, sollten anhand von 1. Thessanonicher 4 und 5 überprüft werden. Die Entrückung sollte kein Gegenstand von Spekulationen sein (so hoffnungsvoll sie auch sein mögen). Unsere Hoffnung sollte sich nicht auf die Entrückung, sondern auf die Wiederkunft Jesu und die darauf folgenden Vollendung beziehen. Dann wird Gott „abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. (Offb. 21, 4)

1.Korinther 15,51

„Ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle sterben. Aber wenn die Trompete den Richter der Welt ankündigt, werden wir alle verwandelt. Das geht so schnell wie man mit der Wimper zuckt. Wenn die Trompete ertönt werden die Verstorbenen zu unvergänglichem Leben erweckt. Wir aber, die wir dann noch am Leben sind, bekommen einen neuen Körper.“

Griech.: allasso, verwandeln

Paulus spricht von einem „Geheimnis“, also von etwas Verborgenem - von etwas, das man kaum fassen kann. Wie verborgen es ist, wird daran deutlich, dass Paulus selber meint, noch zu leben bei der Wiederkunft Jesu. Inzwischen sind aber bald 2000 Jahre vergangen (siehe 2. Korinther 5,1-10).

 

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