Eingeklemmt

 

Story/Reisenotiz

Auf den Spuren der Hugenotten, Teil 12, Zuflucht

 

 Psalm 146,1-5

Halleluja – Preist den HERRN! Auf, mein Herz, preise den HERRN!  Ich will ihn loben mein Leben lang, meinem Gott will ich singen, solange ich atme!  Verlasst euch nicht auf Leute, die Macht und Einfluss haben! Sie sind auch nur Menschen und können euch nicht helfen.  Sie müssen sterben und zu Staub zerfallen und mit ihnen vergehen auch ihre Pläne.  Wie glücklich aber ist jeder, der den Gott Jakobs zum Helfer hat und auf ihn seine Hoffnung setzt, auf den HERRN, seinen Gott!

 

In den Ferien in Südfrankreich, den Cevennen, auf den Spuren der Hugenotten. Wir rekognoszieren für eine Jugendfreizeit. Ich wollte aber nicht lediglich geschichtsträchtige Orte besuchen und über das Leben der Hugenotten theoretisch nachdenken, sondern auch Action erleben.

So meldeten wir uns bei einer Gruppe von Höhlenforschern und erkundigten uns für eine ganztägige Tour mit einer Gruppe. Selbstverständlich wurden wir voll ausgerüstet mit Helm und Karbidlampe und Klettergurt mit Karabinern und Expressen. Dann bei grosser Hitze ein halbstündiger Fussmarsch einem Hang entlang durch Gestrüpp. Wie aus dem Nichts taucht eine verschlossene Eisentüre auf. 

Nr. 27 auf dem Plan der "Grottes et caches camisardes", Claude Viala

 

In der Höhle können wir aufrecht ein paar hundert Meter in den Berg hinein gehen. Schon dachte ich, dass das aber nicht sehr imposant sei. Alle bleiben stehen. Rechts an der Seitenwand etwa auf 2,5 Meter Höhe erneut eine Eisentüre. Diesmal aber sehr viel kleiner. Unser Führer meint, dass das nun die erste Herausforderung sei. Wer da durch komme, schaffe auch die nächsten Hindernisse. Na gut, was bleibt einem übrig? Hochklettern und durch. Allein schon Hochkommen zum Eingang war eine Herausforderung. Und dann durch diesen etwa 8 Meter langen, engen Gang kriechen. Beide Arme nach vorne. Ich hatte den Eindruck, meine Schulter ist zu breit. Glücklicherweise hatte es einen Luftzug. Man konnte atmen. Am Ende angekommen, wartete ich auf meinen Freund. Der war noch mitten drin im langen Gang. Die Höhlenforscher hatten gesehen, dass es für ihn sehr eng werden würde und haben ihm geraten, sich mit einem Arm nach vorne und dem anderen nach hinten rein zu zwängen. Dann blieb er stecken. Er kam nicht mehr weiter. Ein Höhlenforscher stiess von hinten und ein anderer kam ihm entgegen um ihm zu helfen. Sie versuchten ihm das Hemd und das Shirt ausziehen. Dann blieb auch der Höhlenforscher vor ihm stecken. Ich zog ihn an seinen Stiefeln wieder zurück. Einige von unserer Gruppe waren wie ich bereits durch und warteten vor mir. Wir bekamen den Auftrag, eigenständig ein paar kleinere Räume weiter zu klettern und dort dann zu warten, bis sie meinen Freund herausgezogen haben. Also ab durch ein enges Loch, direkt über uns, etwa einen Meter hoch, aber auch sehr eng, und dann auf der anderen Seite wieder 2 Meter runter. Man musste mit den Füssen voran ins Dunkle gleiten, ohne zu wissen, was es da gibt. Der Raum war etwa 1,5 Meter hoch und zwei Meter lang und breit und wir hockten zu sechst da drin, ganz eng aneinander gedrückt. Ich merkte, dass die Jüngeren von uns sich fürchteten und sich fragten, was da gerade passiert und ob es gut ausgehen kann. Es ist ein Reflex. Ich begann zu singen, ganz leise. Ein Psalm: "Je lourai l'éternel". Alle stimmten mit ein. Zuerst leise und dann lauter. Und wie das tönte. Die Akustik war der Hammer. Unsere Stimmen schienen verstärkt zu werden. Der Widerhall von den Felswänden reflektierte vielfach unseren Gesang. Die Angst schwand. 

Erst später wurde mir bewusst, dass das Singen von Psalmen auch für die Hugenotten von grosser Bedeutung war. 

Die Bedeutung des Psalmengesangs in der Reformierten Kirche

Da für die Hugenotten das biblische Israel Vorbildcharakter hatte, war auch das Gesangbuch des Alten Testaments, die 150 Psalmen, für ihren gottesdienstlichen Gesang richtungweisend. Um die Psalmen den Menschen ihrer Zeit näher zu bringen, erfolgten gereimte Umdichtungen in die Landessprache. Seit dem 16. Jahrhundert war der Psalmengesang ein Hauptelement des Gemeindegottesdienstes. Traditionell gab es unter anderem in Genf zweimal jährlich einen besonderen Gottesdienst, in dem alle 150 Psalmen gesungen wurden.

 

Psalter aus Genf 1735

 

 

 

In der römisch-katholischen Kirche des 16.Jahrhunderts wurde die Messe auf Latein von Mönchen gesungen. Die Reformatoren wollten die Gemeinde der Gläubigen während des Gottesdienstes singen lassen, in einer allen zugänglichen Sprache. Calvin versucht, ein französisches Repertoire zu erschaffen. Dies hat sich aus den von Clément Marot (1496-1544) in Versform gesetzten Bibelpsalmen entwickelt. Marot ist vom Humanismus und von Luthers Ideen beeinflusst. Aber er ist vor allem von der Schönheit der Psalmen bezaubert. 1539 übergibt Marot dem König Franz I. das Manuskript von 30 in Versform gesetzten und in Strophen unterteilten singbaren Psalmen. Musiker setzen ihn nach höfischen oder anderen bekannten Weisen in Musik. Der Erfolg ist beachtlich. Studenten und Kurtisanen singen sie auch. 1543 ist Marot aufgrund seiner religiösen Ideen beunruhigt und flieht nach Genf zu Calvin.

 

Mehr zum Thema Psalmgesang siehe Artikel "Der singende Tod"

 

 

In den Basses-Cévennen befindet sich eine grosse Anzahl historischer Grotten im Kalk-Gestein. Diese Gegend war für den Kampf und den Widerstand der Camisarden für die Religionsfreiheit von grösster Bedeutung. Die Bevölkerung kannte die Höhlen gut, weil sie diese schon vor dem Widerruf des Edikt von Nantes genutzt hatten als Verstecke für Gebetsversammlungen und verbotene Gottesdienste.

 

 

aus: "Grottes et caches camisardes", Claude Viala, les presses du Languedoch, 2005, page 61

Nr. 16 Grottes des Demoiselles

Die umliegende ländliche Bevölkerung hatte die Vorstellung, in den mysteriösen Höhlen wohnten Fabelwesen. Daraus entstand der Name "Grotte der Feen". Die Protestanten fanden in dieser Höhle einen sehr sichern Unterschlupf während den Religionskriegen. Die Höhle wurde darum auch "Grotte der Camisarden" genannt. Diese Höhle von beeindruckenden Ausmaßen (55 m hoch und 120 m breit) ist ein wahres Wunderwerk der unterirdischen Welt. Es ist voll von gigantischen Konkretionen, die das Geheimnis geologischer Zeiten in sich bergen.

Abime de Bramabiau, Versammlungsort der Hugenotten am Mont Aigoual, Grotte mit unterirdischem Fluss.

 

 

Die Felsformationen in den Cevennen ermöglichten es den Camisarden sich zu verstecken. Die reguläre Armee mauerte 208 Grotten zu, aber die Aufständischen kannten eine Vielzahl anderer Grotten die ihnen als Unterschlupf dienen konnten.

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Art. 6   Wege zur Toleranz     Art. 7   Seelen fischen    Art. 8   Absolutismus      Art. 9  Gewalt übersteigt die Vernunft       Art. 10   Sechs Möglichkeiten     Art 11   Sechs Möglichkeiten     Art. 13   In der Wüste     

Art. 14   Gänsespiel      Art. 15   Wahre Stärke      Art. 16   Mayflower      Art. 17   Böses Erwachen      Art. 18   Guerilliakrieg       Art. 19   Nichts wie weg      Art. 20   Asyl      Art. 21   Gratin cardon genevois  

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