Hugenotten, Teil 13, Versammlungen, Pastoren
Am 18. Oktober 1685 erliess König Ludwig XIV. das Edikt von Fontainebleau. Darin hob er das "ewige" Toleranzedikt von Nantes sowie alle folgenden zugunsten der Hugenotten erlassenen Gesetze in ganz Frankreich auf. Angeblich gab es im Land nun keine Hugenotten mehr und dadurch sei das alte Edikt unnötig geworden.
Die Hugenotten verloren alle politischen und militärischen Rechte. Die Abhaltung von Synoden musste nun genehmigt und von königlichen Vertretern beaufsichtigt werden. Austausch zwischen den Kirchgemeinden ausserhalb der Synoden war verboten. Das Wanderpredigen wurde untersagt. Der Zugang zu öffentlichen Ämtern wurde den Hugenotten erschwert. Zahlreiche Verordnungen gegen die Hugenotten wurden erlassen, darunter das Verbot von Nationalsynoden, Aufenthaltsbeschränkungen und die Aufhebung der religiös ausgewogen besetzten Gerichtshöfe. Zahlreiche Hugenotten verloren ihre öffentlichen Ämter und es wurden hugenottische Kirchen zerstört. Ab 1679 kam es zur offenen Verfolgung. Die Hugenotten wurden zu Feinden der wahren Religion erklärt. Sie erhielten Berufsverbote, religiöse Mischehen wurden untersagt, die Kirchenvorstände überwacht. Mit der neuen Situation wurde der hugenottische Glaube zwar nicht verboten, jedoch seine Ausübung in jeglicher Form untersagt. Alle hugenottischen Priester mussten innerhalb von zwei Wochen das Land verlassen. Hugenottische Kirchen wurden zerstört und hugenottische Schulen geschlossen.
Bereits einen Monat nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes, wurde die Kirche von Charenton in Paris dem Boden gleich gemacht. Es ist belegt, dass 200 Zimmermänner beteiligt waren. Im ganzen Land wurden auch die letzten protestantischen Kirchen abgerissen. In Caen tanzte das Volk zu Tamburen und Trompeten und spielte Bodga mit Schädeln vom Friedhof.
Zerstörung der Kirche von Charenton, Paris, November 1685, Gravur von Olivier Proust
Versammlungen
Bis 1740 wurden Versammlungen der «Wüste» in aller Heimlichkeit durchgeführt, obwohl oft zwei- bis dreitausend Gläubige (aus verschiedenen Ortsgemeinden) gleichzeitig an ihnen teilnahmen. Sie fanden nachts an abgelegenen Orten – in Wäldern, Höhlen, Schluchten, Steinbrüchen oder verlassenen Gehöften – statt. Später setzte sich Antoine Court im Languedoc mit dem Vorhaben durch, Versammlungen am helllichten Tag vor den Toren der Städte oder an einem allseits bekannten Ort einzuberufen (mit Ausnahme der Jahre 1750 bis 1752, in denen es zu neuen Verfolgungen seitens der Obrigkeit kommen sollte). Die Beteiligung war überwältigend (bis zu 20.000 Personen); Protestanten aus allen gesellschaftlichen Schichten nahmen an ihnen teil. Diese Gottesdienste folgten der Genfer Liturgie, in deren Mittelpunkt eine lange Predigt stand. Das Abendmahl wurde zu regelmäßig wiederkehrenden Terminen gereicht. Zum Ausklang jeder Versammlung nahm der Pastor Dutzende von Taufen und Eheschließungen vor. Angesichts des starken Andrangs wies die Nationalsynode von 1744 die Pastoren dazu an, diese Akte in (versteckten) Registern festzuhalten.
"Versammlung von Protestanten überrascht durch katholische Truppen", Karl Girardet (1813-1871, Öl auf Leindwand 121x105,5cm
Dort, wo keine Versammlungen mit einem Pastor abgehalten werden konnten, versammelten sich die Gläubigen bei dem einen oder anderen Ältesten ihrer Gemeinde zum « Gesellschaftsgottesdienst » mit Sonntagsliturgie und Verlesen einer Predigt. Die protestantischen Stadtbürger zogen diese Form des diskreteren und gesellschaftlich gehobeneren Gottesdienstes den volkstümlichen Grossveranstaltungen unter freiem Himmel vor.
In einer öffentlichen Verlautbarung vom März 1751 ist folgendes zu lesen: "Laut Gerichtsurteil werden Paul Mathieu und Antoine Mortier, wohnhaft in Nîmes auf ewig zum Dienst auf einer Galeere verdammt; Gabriel Guigne, die Ehefrau von Paul Mathieu soll aufgegriffen und bis ans Lebensende ins Gefängnis Tour de Constance gesteckt werden - weil sie allesamt an einer religiösen Versammlung teilgenommen haben".
Aus: musée du desert
Auch im Kreise der Familie wurde der verbotene Kult ausgeübt. Die traditionelle Praxis der Familienandacht bekam in der Zeit der « Wüste » ein neues Gewicht. Jetzt handelte es sich nicht mehr nur um morgendliche und abendliche Gebete und Bibellesungen, sondern um einen Ersatz für den sonntäglichen Gottesdienst, mit vollständiger Liturgie und dem Verlesen einer gedruckten oder abgeschriebenen Predigt. In Amsterdam wurde hierzu extra ein Buch gedruckt : Une liturgie complète pour les protestants de France […] privés de l’exercice public de leur religion [Eine vollständige Liturgie für die Protestanten Frankreichs (…) die ihre Religion nicht öffentlich ausüben können ; 1. Auflage 1756] ; dieses Buch war eine Volksausgabe der Liturgien von Genf und Neuchâtel. Zuvor hatten die Reformierten für ihre Gebetsübungen versteckte Psalmensammlungen oder von Hand zu Hand weitergereichte Abschriften benutzt.
In einer sevennischen Küche wird die Bibel studiert. Die ganze Familie ist anwesend. Diese Szene wurde mit Wachsfiguren zusammengestellt. Die Kleidung, das Inventar un die Szenerie entspricht de damaligen Epoche. Der Älteste liest die Bibel, während zwei junge Mädchen durch Fenster die Gegend nach Spionen oder anrückenden Soldaten beobachten.
Das Mobiliar in den Häusern der Hugenotten beschränkte sich auf ein Minimum: Tisch, Bank, einige Stühle, die Hochzeitstruhe und das Bett. Gefertigt waren diese Möbel meist aus Kastanienholz sowie Maulbeerbaum- und Kirschholz. Außerdem mussten im Haus genügend Versteckmöglichkeiten vorhanden sein. So gab es Häuser, die doppelte Wände hatten, in denen sich ein oder zwei Personen verstecken konnten. Andere Häuser warteten mit ausgehöhlten Fußböden oder unterirdischen Fluchtwegen auf. Auf jeden Fall brauchte man Platz, um die Bibel und andere Schriften zu verstecken. Denn der Besitz einer Bibel oder von Schriften, deren Inhalt die reformierte Religion war, war verboten.
"Mereaux" nannte man kleine Bleiplaketten mit für jede Kirche unterschiedlichen Prägungen. Jeder Gottesdienstteilnehmer musste seine Plakette den Versammlungsältesten vorzeigen, bevor er das Abendmahl einnehmen konnte.
Text aus: "Führer zum musee du desert - Saal der Versammlungen
Man feierte verbotene Gottesdienste auch in den Gefängnissen. Um 1740 wurde ein junger Hugenotte blutig in den Turm von Crest gebracht und dort während 7 Tagen befragt, bevor er in die Zelle geworfen wurde. 4 Monate später fand ihn der Gefängniswärter tot auf dem Boden. Er hielt ein offenes Buch in seiner Hand: "Gespräch einer treuen Seele mit seinem Gott".
"Versteck in der Wüste" von Max Leenhardt (1853-1941)
Text und Bild aus: Diaserie "La revocation de l'edict de Nantes, le Protestantisme en Dauphine"
Es handelt sich hier um eine Waldlichtung von Pialoux. Noch heute treffen sich jeweils im Monat Juli, die Protestanten aus der Region Monmeyran zu Versammlungen.
Eine Beerdigung wurde von den Wüstenpfarrern nur selten vorgenommen, da es Wochen dauern konnte, bis sie an den Ort kamen. Die Toten wurden ausserhalb des Friedhofs bestattet, da die Camisarden die Sakramente der katholischen Kirche nicht annehmen wollten. Durch ihre Beisetzung wäre der Friedhof entweiht worden. Außerdem versprachen sich die katholischen Machthaber von der Verweigerung des christlichen Begräbnisses eine erzieherische Wirkung.
Gräber von Protestanten ausserhalb der Friedhofsmauern bei Luziers.
Pastoren und Prediger
Abgehalten wurden die Gottesdienste von Laienpredigern, die sich später mit ausgebildeten Pastoren zusammentaten, um eine geregelte Ausbildung zu erlangen. Die Ausbildung bestand z. B. darin, dass der Schüler sich die Predigten seines Pfarrers anhörte und auswendig lernte, um sich so die Struktur einer Predigt anzueignen. Der Lohn eines ordinierten Pfarrers betrug 53 sou (ein sou = 5 centimes), doch nur selten konnte der ganze Lohn ausgezahlt werden. Doch kam es den Pfarrern nicht darauf an. Sie kamen auch ohne Geld durch, da sie von ihren Gemeindemitgliedern versorgt wurden. Sie führten über jede Taufe und jede Heirat genauestens Buch, so dass nahezu jedes Gemeindemitglied in ihren Unterlagen auftauchte. Diese Aufzeichnungen mussten gut versteckt werden. Sollte ein Pfarrer zusammen mit seinen Aufzeichnungen gefangen werden, würden alle seine Gemeindemitglieder in grosse Schwierigkeiten geraten.
Vor allem die Prediger wurden grausam traktiert. 1744 wurde Arnaud genannt Duperron angesichts des Schaffots abtrünnig. 4 Monate nachdem er freigelassen wurde, starb er an seinem Kummer. 1745 wurde ein 24-jähriger Louis Rec, als frisch ordinierter Pfarrer in Clos Rond, vom Parlament in Grenoble zum Tode verurteilt, in den Turm von Crest geführt. In Die wurde er am Galgen erhängt. Die geschlagenen 10 Tambouren konnten nicht verhindern, dass man ihn Psalmen singen hörte. Zur selben Zeit fuhr sein Bruder Alexander, der Prediger wie er war, fort zu predigen.
Claude Brousson, Advokat beim Parlament in Toulouse. Im Jahr 1639 wurde er in der "Wüste" zum Pfarrer geweiht. Er half massgeblich mit, die französische Reformierte Kirche aufzubauen. 1698 wurde er auf dem Rad auf der Esplanade von Monpellier hingerichtet.
Claude Brousson
Von einem Maler aus Holland, vielleicht Johannes van Brockhorst, um 1695
Die Flucht vieler hugenottischer Prediger aus den Cevennen in die protestantischen Nachbarländer Frankreichs führte in London zur Gründung der Gemeinde der French Prophets und trug in Deutschland zur Entstehung der sogenannten Inspirationsgemeinden bei. Viele deutsche Inspirierte wanderten im 19. Jahrhundert dann weiter in die USA, wo ihre Nachfahren heute in den Amana Colonies leben.
Im Jahr 1729 gründete und leitete Antoine Court zusammen mit Benjamin Duplan ein Seminar in Lausanne, an welchem Pfarrer für die "Wüste ausgebildet wurden". Diese Schule hat ungefähr 400 Prediger hervorgebracht, für die verfolgte Kirche in Frankreich. Viele von ihnen sind gestorben für ihren Glauben.
Paul Rabaut, 1718 geboren, Pastor der "Kirchen in der Wüste", genannt "Monsieur Paul". Er hat 40 Jahre lang als "Wüstenapostel" das Werk von Antoine Court weitergeführt. Er unterrichtete am französischen Seminar in Lausanne Theologie.
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