Ketzerverbrennung -- In Hartmann Schedl: Weltchronik -- 1494

Der singende Tod

 

Hugenotten, Teil 5, Chambre ardente

 

Es gibt Belege für die Strafform der Verbrennung bereits unter Kaiser Tiberius im Römischen Reich. Brandstifter sollten verbrannt werden. Diese Bestrafung wurde vermutlich erstmals unter Nero bei der Bestrafung von Christen, die der Verursachung des grossen Brandes von Rom 64 n. Chr. beschuldigt waren, in größerem Umfang angewandt. Die antike Geschichtsschreibung führt das auf den grausamen Charakter des Kaisers zurück. Allerdings handelte es sich wohl eher um eine konsequente Anwendung des vorliegenden Rechts, wenn auch die tatsächliche Beteiligung der Christen am Brand zumindest zweifelhaft ist. 

Spätere christliche Märtyrerdarstellungen zeugen davon, dass das Verbrennen eines lebendigen Menschen unabhängig vom Delikt bei Christenprozessen zur Anwendung kam.

 

Immer wieder versuchte die Katholische Kirche, ihre Gegner mit Feuer auszurotten, immer wieder entzündeten sich an den Qualen der Märtyrer neue Glaubensgegner. Zeitgenössische Aussagen bezeugen die Wirkung solcher Exekutionen auf die Menschen. Die Verfolgung allein um des Glaubens willen brachte den Protestanten tausendfache Sympathien.

 

Jan Luiken: Kupferstich: Verbrennung von etwa 80 Waldensern in Strassburg im Jahr 1215. 

Jan Hus wurde Opfer der Inquisition. Der böhmische Theologe, Prediger und Reformator wurde 1415 während des Konzils von Konstanz als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt, weil er seine Lehre nicht hatte widerrufen wollen.  

 

Jan Hus auf dem Scheiterhaufen, Spiezer Chronik (1485)

Verbrennung Salzburger Täufer im Jahr 1528; Von Jan Luyken (1649 - 1712)

 

 

 

 

 

 

Kuperstich aus: Histoire Abregée des Martyrs Français. Amsterdam 1648

 

Heinrich II. hatte bei seinem Regierungsantritt 1547,  die Bekämpfung der Reformierten in die Hände eines staatlichen Ausnahmegerichtes gelegt. Im Oktober des gleichen Jahres wird als Schöpfung der neuen Regierung die "chambre ardante", die Steiterhaufenkammer, in Paris konstituiert. Das Parlamentsgericht erlässt in den 3 ersten Jahren der neuen königlichen Herrschaft 500 Haftbefehle gegen die Protestanten. Menschen aller Stände, jeden Alters, vom Kind bis zum Greis, Laien, Mönche, Priester werden lebendigen Leibes in Asche verwandelt. In ganz Frankreich lodern zu dieser Zeit die zahlreichen Feuer der zum qualvollen Tod verurteilten Hugenotten. 2 Jahre später hält der König seinen feierlichen Einzug in Paris mit einer Sakramentsprozession, einem Festessen und einer Parade von Galgen und Scheiterhaufen. Diese sind zur Aufwertung der Feierlichkeiten in den Strassen aufgebaut. 

 

 

Unter den Todesopfern befindet sich auch jener evangelische Schneider, der vom Bischof von Macon verhört worden war. Er hatte, der sich dabei wichtigtuenden Diana von Poitiers zornig gesagt: "Es ist genug, Madame dass sie Frankreich unsicher gemach haben. Unterlasse Sie es, ihr Gift und ihren Schmutz auch in die heiligen Dinge Jesu Christi zu mischen". Der König betrachtet mit besonderem Wohlgefallen das qualvolle Sterben dieses Mannes auf dem Scheiterhaufen, vom Fenster eines gegenüberliegenden Hauses. Als er merkte, dass der Märtyrer ihn, den König, unverwandt durch die Flammen hindurch fixierte, verlässt er hastig seinen Beobachtungsposten, noch lange, wie man sagt, von dem Erinnerungsbild dieser beiden schrecklichen Augen gepeinigt.

Eine junge, schöne und vornehme Witwe, Madame de Graveron, sitzt auf dem Schinderkarren, der durch die Strassen holpert. Vordem hatte sie sich selbst so wenig getraut, dass sie Gott täglich bat, ihr das Leiden der Märtyrer zu ersparen. "Ach", sagte sie, "ich bin so empfindlich, dass sich kaum einen Strahl Sonne aushalte - wie soll ich die Gewalttätigkeit der Henker und die Hitze der Flammen überstehen?" Jetzt hat sie ihre schwarzen Trauerkleider abgetan und ihre feine Sammethaube und anderen Festschmuck angelegt, um, wie sie sagt, sich ihrem himmlischen Bräutigam würdig zu bereiten, bevor man ihr, die alles freudig an sich geschehen lässt , die Zunge abschneidet, damit sie nicht auch vor dem Volk den Heiland preise, und bevor man ihr die Füsse und das Gesicht absent und sie erdrosselt.

(aus: "Der französische Protestantismus", Joseph Chambon, Seite 46+47)

 

 

Von den evangelischen Glaubeszeugen, die mit dem Leben abgeschlossen haben, wird ein merkwürdiger und feierlicher Stil des Sterbens bezeugt. Man hat von den "erhabenen Lebensformen des hugenottischen Menschen" gesprochen. Taine spricht von einer "noblesse intérieure", Milton beschreibt den Calvinisten als "chevalier", Viénot als den Sinn seines Lebens den ritterlichen Kampf um die Gewissensfreiheit. 

Der eigentliche Sterbestil der franz. Protestanten war der singende Tod. Die fünf Theologiestundenten von Lyon sangen auf dem Armesünderkarren Psalm 9: "Je te louerai, Eternel, de tout mon cœur." Im Jahr 1555 wurde bei Nevers ein Tischler Filleul und ein Mann aus Sancer namens Léveillé verbrannt. Sie sangen den 6. Psalm und den Lobgesang des Simeon. Ein Franziskaner Rabec wurde in Angers vor der Kirche St. Maurice hingerichtet. Man hatte ihm die Zunge verstümmelt, um ihn am Singen zu hindern, und ihn zunächst zur Verlängerung seiner Qual mit Schwefel bestrichen und über dem Feuer in die Höhe gezogen. Dennoch sang er allen verständlich den Psalm_ "les gens sont en ton héritage", bis er in den Flammen erstickte. Der Gesang der Zeugen Jesu in Rauchschwaden und Feuer ging seinen Weg und drang bis zum Hof, wo sogar der König die Psalmenmelodien vor sich hinsummte. Ihr Klang wandert zum Louvre und über die Seine zur "Schreiberwiese", zum "pré aux Clecs" und berührt die Studenten, die sich drüben belustigen und die Adeligen die sich im Grünen amüsieren.

Anne du Bourg war ein Neffe des Kanzlers Antoine du Bourg und studierte an der Universität von Orléans. Dort habilitierte er auch zum Professor für Recht und betreute den Studenten Étienne de La Boétie. 1557 wurde er in das Parlement de Paris berufen.

Während einer Plenarsitzung griff er 1559 die königliche Politik der Repression gegen „die sogenannten Ketzer“ (Hugenotten) an. Dabei machte er keinen Hehl aus seiner calvinistischen Gesinnung und verteidigte sie gegenüber Heinrich II. sehr kühn. Daraufhin ließ ihn der französische König auf der Stelle verhaften und ins Gefängnis bringen. Nach dem Unfalltod Heinrichs im Juli 1559 konnte das Haus Guise die Macht auf Kosten des noch unmündigen Thronfolgers Franz II. an sich reißen; doch auch die Guises waren entschiedene Gegner der Hugenotten.

Am Ende des Gerichtsprozesses, in welchem Anne du Bourg alle Rechtsmittel ausschöpfte, wurde er als Ketzer verurteilt: Er sollte auf dem Place de Grève gehängt und sein Körper auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Später im Gefängnis versöhnte er sich mit seinem Schicksal und dankte Gott, für eine solch große Aufgabe auserkoren worden zu sein: Gemäß seinem Leitsatz „Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg 5,29 EU), das Widerstandsrecht gegen die königliche Macht zu behaupten. Am 23. Dezember 1559 wurde er hingerichtet, nachdem er der Menge zugerufen haben soll: « Mes amis, je ne suis point ici comme un larron ou un meurtrier, mais c’est pour l’Évangile. » (deutsch: „Meine Freunde, ich stehe hier nicht als Dieb oder Mörder, sondern um des Evangeliums willen“).

 

Text aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Anne_du_Bourg

Die Hinrichtung Anne du Bourgs auf einem Stich von Frans Hogenberg (1650)

 

 

 

 

Am 13. Mai 1558 erheben sich dort plötzlich die Glaubenspsalmen der Protestanten, wie Wellen des Meeres. Hunderte, Tausende fingen an zu singen. Der Gesang schwillt tosend an und braust fort von Tag zu Tag. Der König von Navarra der in Paris zu Besuch ist, stimmt mit ein. Es ist wie eine Explosion. Dreitausend, viertausend Menschen singen über Paris hinweg die Genfer Glaubenslieder, der Raserei des fassungslosen Königs ins Gesicht.

Mehr zum Thema Psalmengesang der Hugenotten: Artikel "Eingeklemmt", letzter Absatz

Spanische und portugiesische Inquisition

21. Mai 1559 in Valladolid: Antonio Herezuelo, Advokat in Toro, wird mit 14 Gefährten bei der öffentlichen und feierlichen Bekanntgabe der Schuld und der Urteile der durch das Inquisitionsgericht in Valladolid vor 200.000 Zuschauern verbrannt.

 

 

Frans Hogenberg 1535-1590 Verbrennung evangelischer Christen, darunter Antonio Herrezuelo

 

 

 

 

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