Story
Auf den Spuren der Hugenotten, Teil 17, Überfall
Eine Jugendfreizeit in Südfrankreich, den Cevennen - auf den Spuren der Hugenotten. Wir waren mit 2 Mietbussen unterwegs und fahren nachts, um den Weg aus der Schweiz in 14 Reisestunden schaffen zu können. Autobahnen gab es lediglich Teilstücke und diese waren zu teuer. Damals waren die Cevennen noch ursprünglich. Einkaufszentren fehl am Platz. Wir übernachteten auf Campings in Zelten und kochten selber.
Ich hatte als Leiter die glorreiche Idee nicht lediglich geschichtsträchtige Orte zu besuchen und über das Leben der Hugenotten nur theoretisch nachzudenken, sondern es auch ganz praktisch erlebbar zu machen. Der Preis, den die Hugenotten für ihr Festhalten an ihrem Glauben bezahlen mussten, sollte spürbar werden. Etwas Greifbares, etwas Erlebbares. Was lag da näher, als eine längere Wanderungen in sengender Hitze und Übernachtungen im Freien.
Wir badeten und spielten Volleyball am Strand bei Montpellier, zwischen Carnon und la Grand-Motte. Natürlich durfte auch Lagerfeuer Romantik nicht fehlen. Mitten in den Dünen machten wir ein Feuer und grillierten Würste. Ein fantastischer Sonnenuntergang und ein letztes Bad vor dem Schlafengehen. Ja, das war damals noch möglich. Dann ist es stockdunkel. Ab in die Schlafsäcke. Aber dann, was für ein böses Erwachen! Kleider, persönliche Utensilien und Ausweise sind im Umkreis von 20 Metern in den Dünen verstreut. Schreck lass nach. Alle Wertsachen sind weg. Meine Nikon FE geklaut. Eine fantastische Kamera. Ich hatte sie schon in anderen Freizeiten mit dabei. Einmal sind wir geritten. Mein Gaul wollte einfach nicht andere vorbei lassen und drückte das andere Pferd mit Reiter einfach in einen Busch. Dann, auf freiem Feld löste sich eine Öse des Riemens meiner Kamera und sie fiel runter. Ich schaute zurück und konnte gerade noch sehen, wie das folgende Pferd auf die Kamera trat. Ob es das absichtlich gemacht hat, nur weil es nicht überholen konnte? Jedenfalls war die Kamera verbeult, aber lief noch mit der mechanischen Einstellung. Ich konnte sie nochmals reparieren lassen. Aber jetzt, jetzt war sie fort. Und das Verrückte: Ich hatte sie in meinen Schlafsack gelegt, um sie zu schützen. Ja, wir sind als Gruppe überfallen worden. Eine Teilnehmerin weinte bitterlich. Sie vermisste ihre Armreifen, welche sie noch vor 2 Tagen für einige Franc auf einem Markt gekauft hatte. Wir riefen die Polizei und erzählten von unserer Erfahrung. Ein Polizist meinte, wir hätten grosses Glück gehabt. Solche Gangs, welche Touristen überfallen, würden nicht davor zurückschrecken, Gassprays anzuwenden oder auch mit einem Keulenschlag auf den Kopf für Ruhe zu sorgen. Einen Tag Kopfschmerzen wären die Folgen - wenn es gut geht.
Erst als sich die Aufregung etwas gelegt hatte, konnte ich die Ironie der Situation erkennen. Wir hatten Abenteuer gesucht und wollten die Gefahren, denen die Hugenotten ausgesetzt waren erfahrbar machen. Das war uns gelungen - unbeabsichtigter Weise.
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